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Ein langer Schlag bis in den Süden von Sardinien

Knapp 27 Stunden unter Segeln, zuzüglich 8 Stunden unter Motor – lange 35 Stunden dauert die Fahrt von Ponza bis in die Cala Pira auf Sardinien, insgesamt legen wir in dieser Zeit 198,3 Seemeilen zurück. Es ist das erste Mal, dass wir in kompletter Dunkelheit an einem unbekannten Ort den Anker werfen – so bleibt es bis zum Schluss spannend.

Der Wind setzt planmäßig gut zwei Stunden nach dem Ablegen ein und bläst die meiste Zeit mit gut 5 Beaufort, bevor er uns am Nachmittag des zweiten Tages leider komplett verlässt. Bis dahin fahren wir einen anstrengenden Am-Wind-Kurs, die Wellenhöhe stimmt leider so gar nicht mit der Vorhersage überein und über die gesamte Strecke begleitet uns eine ansehnliche Welle aus nordwestlicher Richtung, die in Abständen heftig gegen die Bordwand schlägt und uns gut durchrüttelt. In den ersten Stunden kommt die Welle sogar mehrfach über bis ins Cockpit, gleich zu Beginn ist Sibylle einmal komplett durchnässt und muss sich völlig umziehen.

Die Krängung ist beträchtlich, und das Kochen bei der heftigen Welle eine echte Herausforderung, aber mit einigem akrobatischen Geschick und viel Vorsicht, um nicht trotz kardanischer Herdaufhängung eine Ladung kochendes Nudelwasser abzubekommen, schafft es Sibylle schließlich, für jeden eine Schüssel Spaghetti ins Cockpit zu reichen.

Der fast volle Mond leuchtet uns lange durch die Nacht, in der außer uns auf diesem Kurs kein einziges Schiff unterwegs ist.

Die Hydrovane Windsteuerung (siehe rote Windfahne im Video) macht einen super Job und gibt wirklich alles, was geht, wir sind begeistert – nicht auszudenken, wenn einer von uns die ganze Zeit manuell hätte steuern müssen. Und unser angeknackster elektronischer Autopilot hätte bei diesen Verhältnissen ganz sicher endgültig schlapp gemacht.

Zu guter Letzt haut es dann sogar die Windfahne um – die Steuereinheit und das Ruder geben irgendwann dem ständigen Druck nach und drehen sich um circa 45° Grad aus der Achse. Unter kompetenter Anleitung von Tom Logisch per WhatsApp ist es jedoch anderntags überhaupt kein Problem, die Steuerung wieder in ihre ursprüngliche Position zu justieren.

Ansonsten verläuft die Überfahrt ohne Zwischenfälle 😊 – unser Dank geht an Neptun und später in Cagliari an „La Nostra Signora di Bonaria“, Schutzpatronin der Insel und der Seefahrer.  

Die Cala Pira ist auch im Sonnenlicht ein gefälliges Fleckchen, das Wasser türkisblau vor einem langen Sandstrand. Hier tummeln sich jede Menge Urlauber, hauptsächlich vom nahegelegenen Campingplatz, wir haben jedoch ausreichend Abstand zum Strand und empfinden dies kaum als Belästigung. Noch etwas anderes ist hier bemerkenswert: es gibt eine mit Bojen markierte Einfahrt für Motorboote, die zum Strand hin fahren, und (fast) alle sich nähernden Motorboote gehen vom Gas bereits deutlich vor der Einfahrt zur Bucht – sehr überraschend und angenehm.  Wir verlängern unseren Aufenthalt um einen weiteren Tag, bevor wir dann nach Cagliari in die Marina einlaufen. Jens muss tags drauf die Rückreise nach Köln antreten und Burkhard zur Zahnärztin in Cagliari, die uns am Wochenanfang erwartet.

Impressionen aus Kampanien und Latium – Gaeta & Isola di Ponza

Mit dem günstigen Wind für die Überfahrt nach Sardinien wird es so schnell nichts – also entscheiden wir uns, zunächst mal wieder rüber ans Festland zu wechseln, um weiter nördlich einen besseren Ausgangspunkt für die Passage zu bekommen.

Gaeta in Latium besitzt eine hübsche Altstadt, mit Hafen, Festung und Kathedrale. Ein guter Segelwind ab mittags weht uns bis fast in die Marina hinein. In der Base Nautico Flavio Gioa werden wir sehr freundlich empfangen. Man spricht hervorragend englisch und so nehmen wir gern die Gelegenheit wahr, nochmal einen Volvo Penta Spezialisten vor Ort auf den Dieselmotor schauen zu lassen. Denn auch heute hat sich bei etwa 4,5 Stunden Fahrt unter Motor ein halber Liter Öl in der Bilge gesammelt. 

Das sollte nicht sein, und trotz mehrerer Anläufe ist dem Problem in den letzten Jahren niemand beigekommen, das macht uns zunehmend Sorgen.

Für 10:00 Uhr am Folgetag ist der Volvo-Service avisiert, anschließend wollen wir raus zum Ankern in eine der Buchten um die Ecke. Der Termin verstreicht, auf Nachfrage soll es nun um 14:00 Uhr klappen. Gegen 16:00 Uhr endlich erscheint der Mechaniker. Immerhin, zum ersten Mal fühlen wir uns ernstgenommen, der Ölverlust wird nicht als Bagatelle abgetan.

Pünktlich um 14:00 Uhr legen wir wieder am Ponton der Base Nautica an. Schnell das Schiff abspritzen, dann gehen Sibylle und Jens mal wieder zum Einkaufen, vornehmlich Getränke sind angesagt …. Währenddessen kommt der Service-Mann von Volvo. „Leider“ ist diesmal kaum Öl in der Bilge – der klassische Vorführeffekt. Ein bisschen feucht am Turbo und an einer Dichtung. Und wieder einmal bleibt es bei der Empfehlung, erstmal nichts weiter zu unternehmen und Öl nachzufüllen bei Bedarf. So ein Mist. Vermutlich müssen wir den Motor mal rausheben und generell überholen lassen, aber das will gut geplant sein.

Jedoch heißt es jetzt erst einmal, alles gründlich putzen, Motor und Bilge, dann 2-3 Stunden den Motor fordern, damit Menge und vor allem Austrittsort des Öls präziser bestimmt werden können. Wir machen uns zu dritt im Wechsel sofort an die Arbeit, doch erst gegen 18:30 Uhr können wir endlich ablegen und fahren raus in die Baia San Vito. Leider steht Schwell in die Bucht und wir finden nachts wenig Schlaf, aber immerhin müssen wir den vergeudeten Tag in der Marina nicht bezahlen.

Abends folgen wir einer Empfehlung der Marina und besuchen das Seafood-Restaurant „Come il Mare“. Ein ungewöhnliches Konzept, das aber funktioniert. Selbstbedienung ist angesagt, man gibt den Bestellzettel mit einem Namen an der Kasse ab. Getränke bekommt man im Plastikeimer, gut befüllt mit viel Eis sofort am Tresen. Ebenso die rohen Vorspeisen, wie Austern und Thunfischtartar. Man sucht sich einen Platz und wartet, bis man aufgerufen wird. Die warmen Speisen und Beilagen holt man sich dann an der Theke direkt bei der Küche ab. Alles ist frisch und schmeckt vorzüglich. Gegessen wird von Papp- und Plastikgeschirr, mit Einwegbesteck. Nur die Weingläser sind echt. 

Das ist eher cool und tut dem Geschmack keinen Abbruch. Da ist in jedem Fall ein Nachschlag fällig: wir probieren noch den Votapiatto, eine Spezialität aus Gaeta (gemehlte kleine Calamari in Olivenöl ausgebacken) – ebenfalls köstlich, aber leider sehr mächtig, so dass wir die Hälfte kurzerhand einfach einpacken und mitnehmen. Für italienische Verhältnisse sind wir recht früh gestartet, doch das Freiluft-Restaurant füllt sich sehr schnell, auch als wir nach zwei Stunden den Ort verlassen, strömen weiterhin jede Menge Leute herein – Familien, große Freundesrunden, Pärchen – ein echt angesagter Platz.

Nach einer weiteren schaukeligen Nacht – diesmal in der Bucht von Sperlonga – machen wir uns schließlich am übernächsten Tag auf zur Isola di Ponza. Bei frischem Wind aus Südost können wir fast die gesamten 33 Meilen segeln, trotz Reff kommen wir zügig voran mit 6-7 Knoten Fahrt.

Leider dreht der Wind früher als vorhergesagt, so dass wir am Morgen zeitig auf die Ostseite der Insel wechseln, um dem Nordwestwind zu entgehen. Wir finden einen Platz in der Cala del Core, die ebenfalls von bunten Felsen gerahmt ist. Überhaupt ist die Insel wunderschön, nur haben uns heute auch hier die sonntäglichen Freizeitkapitäne wieder eingeholt. 

Die Marina-Gebühren in Ponza sind prohibitiv (13 Euro pro Meter Schiffslänge …), also steuern wir eine Ankerbucht an. Unser Anker fällt auf ca. 9 Meter in der berühmten Cala Chiaia di Luna, mit spektakulärer Aussicht auf die hochaufragenden Felsen aus Tuff und Kaolin. Der Strand und das Ufer sind gesperrt, da sich immer wieder gefährliche Felsbrocken lösen.

Jens gibt sich im Dinghi alle Mühe, den italienischen Vorbildern nachzueifern – doch auch mit unserem neuem Außenborder hat er gegen die hochgerüsteten italienischen Nussschalen wenig Chancen.  Am nächsten Tag haben wir nun endlich den richtigen Wind für den Absprung nach Sardinien ….

Impressionen aus Kampanien und Latium – Capri & Procida

Jens Anreise über Flughafen Neapel und dann mit dem Zug nach Salerno verläuft problemlos – wenn man von der Tatsache absieht, dass er am Bahnhof in Salerno tatsächlich mehr als 40 Minuten auf uns warten muss, weil wir mit dem Mietwagen im Stau gesteckt haben.

Nach einem Ankerstopp in Amalfi geht es dann am übernächsten Tag Richtung Capri. Die Ankerbucht unserer Wahl – Faraglione di Matermania – liegt im Südosten der Insel und hat türkisblaues Wasser vor wunderschöner Felskulisse.

Es ist Wochenende und es wimmelt von Ausflugsbooten, fast im Sekundentakt fahren welche ab oder kommen neu rein. Das Ankermanöver wird so zum Problem, da an unserem gedachten Platz bereits wieder neue Motorboote den Anker geschmissen haben, bevor wir uns am Ankerplatz im Wind eingependelt haben. Anfangs slippt der Anker auf Seegrasflecken, dann gräbt er sich wunderbar im Sand ein, wie Sibylle mit Schnorchel feststellen kann.

Die italienischen Freizeitkapitäne wie auch die Skipper der professionellen Ausflugsboote geben alles, um ihre eigene Crew sowie die der Konkurrenz maximal zu beeindrucken: unter laut heulendem Motor und größtmöglicher Bugwelle braust man in die Bucht hinein und wieder heraus – wehe dem Schwimmer oder Schnorchler, der da im Wege ist. Die Überlebenschance ist eher gering, da natürlich während der rasanten Fahrt gleichzeitig noch mit den hübschen Kundinnen geflirtet oder mit der Freundin am Handy gechattet wird. Die ständigen Bewegungen verursachen konstant richtig heftigen Schwell in der Bucht, so dass wir mächtig in den Wellen tanzen. Dennoch wollen wir bleiben, denn Wasser und Felsen sind grandios.

Erst spät abends, als auch weiter draußen der schier unendliche Zug von Motorbooten langsam abebbt, wird das Wasser ruhiger in unserer Bucht. Noch ein Segler und ein Motorboot bleiben hier außer uns, später kommt noch ein großes Segelschiff, die Blackwood of London.

Wir sind froh, dass wir uns in Kalabrien den italienischen Revierführer `777 Porti e Ancoraggi` für das Tyrrhenische Meer zugelegt haben, der deutlich mehr Ankerplätze ausweist und beschreibt, als das Hafenhandbuch von Rod Heikel, der sich fast ausschließlich auf Häfen und Marinas beschränkt. Sonst hätten wir weder Amalfi oder auch diese Bucht auf Capri vermutlich nicht zur Übernachtung angesteuert – und dabei ist unser Monats-Budget für Liegegebühren inzwischen himmelhoch überschritten. Waren wir bereits entsetzt über die Hafenpreise in Kalabrien, so finden wir in Kampanien und Latium kaum einen Platz unter 100 Euro pro Nacht, meistenteils liegen die Kosten sogar deutlich darüber. Erst bei Liegezeiten ab einer Woche reduzieren sich die Tagespreise zum Teil beträchtlich, doch so lange wollen wir ja selten bleiben.

So beschließen wir zähneknirschend, uns zunächst mal für eine Nacht in der Marina Procida einzubuchen, und uns dort über die weiteren Schritte zu informieren.

An dem ursprünglich geplanten Ankerplatz in Cala Corricella schauen wir kurz vorbei. Hier liegen die Boote dicht an dicht vor der Kulisse der malerisch bunten Stadt. Es sind mehrere hundert Boote, die zum Teil im Päckchen ankern, und der wenige verbleibende Platz ist von Badenden oder Luftmatratzen belegt – unglaublich. Hier hätte man auch mit Genehmigung kaum noch einen Platz gefunden, jedenfalls nicht vor Sonnenuntergang.

Wir fahren ums Eck in die Procida Marina. Auch hier eine ansprechende Kulisse, wenn auch an der Fährhafenseite die Fassaden stärker verblichen und heruntergekommen sind.

Und so suchen wir auch anderntags auf der Nachbarinsel Procida gern wieder einen kostenlosen Ankerplatz. Unterwegs stellen wir jedoch fest, dass die gesamte Insel im Marineschutzgebiet „Regno di Nettuno“ liegt und man zum Ankern eine Genehmigung einholen muss, die in der Hochsaison wiederum fast exklusiv den sogenannten „Residenti“ vorbehalten ist.

Sibylle tätigt verschiedene Anrufe, bei der Behörde in Napoli, die verweist auf die Capitaneria in Procida, der dortige Direktor ist jedoch nicht mehr zuständig und verweist auf die Capitaneria in Ischia. Dort sagt man uns, man müsse für die Erlaubnis persönlich vorstellig werden, aber natürlich hat sonntags die Behörde geschlossen.

 

Nach Konsultation des Marina-Büros entpuppt sich die Geschichte mit dem Marinereservat schnell als üble Geldschneiderei. Sobald man einen Vertrag mit dem nächstgelegenen Hafen hat – sprich hundert Euro und mehr bezahlt – darf man auch in einer Bucht vor Anker gehen – für 1 Nacht bzw. die Dauer des bezahlten Marinaaufenthalts. Na toll. Wie wir genau weitermachen, wissen wir nun nicht. Unsere französischen Nachbarn sind da eher unbedarft, sie haben bisher überall geankert, sind nur wegen des WM-Endspiels in die Marina gekommen. Vive la France. Nach ihrer Meinung benötigt man nur im August eine spezielle Genehmigung. Die offizielle Website der Area Marina Protetta sagt allerdings klar was anderes. Sind wir mal wieder zu Deutsch?!

In jedem Fall haben wir uns natürlich das WM Endspiel angesehen – auf dem Boot im Salon. Die italienische Berichterstattung ist allerdings mehr als gewöhnungsbedürftig – an beiden Endspielgegnern bleibt kaum ein gutes Haar – mit entsprechender musikalischer Untermalung werden einzelne Spielszenen zur Posse degradiert. Wie anders hätte das ausgesehen, wenn Italien im Finale gestanden hätte – aber die heimische Mannschaft hat ja nicht einmal die Qualifikation geschafft. Sehr schade,dass man das offenbar noch immer nicht verarbeitet hat.

Wir machen uns auf den Weg in den sehr belebten Hafen und suchen uns ein kleines einfaches Restaurant mit sehr leckerer Pizza und Pasta. 

Vielleicht gibt es ja in den nächsten 2-3 Tagen guten Wind, um nach Sardinien rüberzufahren – allerdings warten dort die nächsten Marinereservate auf uns ….

Impressionen aus Kampanien und Latium – Paestum

Den Tag der Segelreparatur nutzen wir für einen Besuch in Paestum – wieder einmal Hinterlassenschaften der Magna Graecia, dorische Tempel, UNESCO-Weltkulturerbe.

Mit einem nagelneuen Mietwagen zuckeln wir zunächst die Küstenstraße entlang von Marina d`Arechi Richtung Süden. Die Italiener haben eine ausgeprägte Strandkultur – ein Lido reiht sich hier an den nächsten und die Parkplätze sind voll besetzt. Mehr oder weniger schäbige Restaurants und Imbissbuden sind Teil der Grundausstattung eines jeden Lido, inklusive Parkgebühr und Liegen werden Tagespreise zwischen 10 und 20 Euro ausgelobt. Je weiter wir uns unserem Ziel nähern, desto schicker werden die Facilities. Dann zweigt die Straße ab ins bewirtschaftete Hinterland, erstaunlich grün ist hier alles und die Landschaft gefällig.

Wir erreichen Paestum um die Mittagszeit. Das Museum ist diesmal schwer verdaulich, die Präsentation schlecht strukturiert. So konzentrieren wir uns auf den Star der Ausstellung: La Tomba del Tuffatore – das berühmte Grab des Tauchers. Viel Zeit lassen wir uns im archäologischen Park, wo um diese Zeit wenig andere Touristen verweilen.

Stumm und beeindruckt wandern wir von Ruine zu Ruine. Das Heraion und den sogenannten Poseidon-Tempel darf man sogar betreten und kann die Bauwerke von innen erfassen. Die gigantischen Säulen wirken zugleich beruhigend wie einschüchternd. Ein unvergesslicher Eindruck.

Anschließend besuchen wir das nahegelegene Eboli – größtenteils ausgestorben und dem Verfall preisgegeben, so zeigt sich die Altstadt. Spätfolgen des Erdbebens in der Irpinia im Jahre 1980. 

Trotz der Mittagshitze weht ein laues Lüftchen und unter schattenspendenden Eukalyptusbäumen ist es angenehm. Es herrscht eine erhabene Ruhe an diesem Ort, wo zwischen Gräsern und sparsamen Bewuchs die drei Tempel majestätisch thronen. 

Gern würden wir irgendwo einkehren und ein Getränk nehmen, doch nicht eine Bar ist hier mehr zu finden. Christus kam nur bis Eboli – der Buchtitel von Carlo Levi wird hier lebendig, an einer alten Mauer sieht man ein Porträt des weltberühmten Schriftstellers.

Am Rand der Neustadt gibt es einige größere Supermärkte, die wir für einen ausgiebigen Einkauf nutzen, denn am dem nächsten Tag kommt Burkhards Stiefsohn Jens aus Köln, der uns für gut zwei Wochen begleiten wird.

Als wir am Abend in die Marina zurückkehren, liegt das Segel bereits fertig an Bord. Der Segelmacher hat sehr schnell gearbeitet und auch die besprochene Änderung des Großsegels umgesetzt, zu der wir uns nach all dem Schlamassel entschlossen haben: wir trennen uns von den vertikalen Segel-Latten und fahren ab sofort mit kleinerem Großsegel (negatives Profil) hoffentlich deutlich entspannter. Die Segellatten haben uns in den letzten Jahren immer wieder Ärger bereitet, weil sie sich nicht nur einmal beim Ein- oder Ausrollen im Mast verklemmt haben, das wollen wir uns zukünftig ersparen. Ob das so gekürzte Segel die finale Lösung sein wird, müssen wir ausprobieren. 

Möglicherweise ist die Anschaffung eines neuen Großsegels, welches von Anfang an entsprechend zugeschnitten ist, noch in Erwägung zu ziehen. Angebote haben wir bereits online eingeholt.

Calabria

Wir haben die Stiefelspitze umrundet, sind durch die Straße von Messina gesegelt und inzwischen im Tyrrhenischen Meer Richtung Norden unterwegs. Sizilien und die äolischen Inseln haben wir schweren Herzens links liegen gelassen, um ein bisschen Zeit aufzuholen, die uns wegen bekannter technischer Probleme verloren gegangen ist.

Sizilien, Aetna

Aus seglerischer Sicht ist Kalabrien eher gewöhnungsbedürftig, um nicht zu sagen wenig attraktiv. Ankerplätze gibt es kaum, die wenigen ausgewiesenen eignen sich allenfalls für einen kurzen Badestopp. Der Wind ist häufig schwach bis nicht vorhanden, so müssen wir zum Fortkommen öfter den Motor bemühen, als uns lieb ist. Die Häfen und Marinas sind allesamt völlig überteuert für den Service, den sie bieten, beziehungsweise nicht bieten. Unter 60 Euro die Nacht geht fast nichts. Das Wasser in den Häfen ist brackig, in Vibo Marina wimmelt es nur so von riesigen Wurzelmundquallen, auch Blumenkohlqualle genannt.

Unter optischen und atmosphärischen Gesichtspunkten haben die meisten Häfen wenig Reizvolles. Unsere Bewertungsskala reicht von „belanglos“ (Rocella Ionica) über „nicht schön“ (Vibo Marina) bis „einfach nur scheußlich“ (Porto di Cetraro). Rühmliche Ausnahme ist Tropea Marina, von hier hat man wenigstens einen wunderbaren Blick auf die malerische Stadt, die sich über den Felsen erhebt, mit gefühlten hunderten von kleinen Restaurants abends sehr quirlig – allerdings auch sehr touristisch. Bei Ein- und Ausfahrt kann man das türkisblaue Wasser genießen, die Strände sind vollgepackt mit Urlaubern an diesem herrlichen Fleckchen. Dafür muss man allerdings auch schon richtig tief in die Tasche greifen, 94 Euro kostet der Liegeplatz für unsere ITHAKA mit 42 Fuß Länge …

Ungewöhnlich und irgendwie besonders ist auch die Marina di Bolaro, wenige Kilometer unterhalb von Reggio di Calabria. Wir sind das einzige Boot am Steg und fühlen uns sehr wohl in dem winzig kleinen Becken mit glasklarem Wasser. Wir nutzen diesen Stopp, um im dazugehörigen Einkaufszentrum (im Besitz der Marina-Familie 😊) unsere Vorräte aufzubessern, und vor allem um in Reggio die berühmten Bronzen von Riace leibhaftig anzusehen.

Das Museo Nazionale di Magna Graecia ist pädagogisch hervorragend und sehr modern strukturiert: Fotos, Texte und Touchscreens ergänzen die Präsentation der Objekte, die minimalistisch vor reinweißem Hintergrund präsentiert ihre volle Wirkung entfalten können. Restaurierungen sind sparsam aber sehr effektvoll eingesetzt, ohne die Originalstücke zu übertönen. 

Anschließend erwandern wir uns die Stadt, die von Leben und Aktivität nur so brodelt. Am Corso Garibaldi sind zwar heute die meisten Geschäfte geschlossen, dennoch ist die kilometerlange Fußgängerzone, die oberhalb des Lungomare verläuft, recht belebt. Gleiches gilt für die Seepromenade, dort gibt es heute eine große Sportveranstaltung und die Straße ist für die Läufer abgesperrt.

So wird eine Kline aus Bronze mit Einsatz von Plexiglas, an welches die Klinenreste geheftet sind, wieder lebendig. Die Bronzen von Riace sind atemberaubend anzusehen. Zunächst aber muss man einige Minuten in einer Filterkammer verweilen, um den Umweltdreck, den man mitbringt, zu neutralisieren. Jeden ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt übrigens kostenfrei, das haben wir gut erwischt.

Viele Gebäude und Palazzi aus dem letzten Jahrhundert prägen den Charakter des Zentrums. Mimmo, unser Chauffeur an diesem Abend (ebenfalls ein Mitglied des Marina- Clans 😊) ist der Meinung, man könnte noch viel mehr für die Pflege und Erhaltung tun, aber zumindest ist das meiste in sehr ordentlichem Zustand.

Wir kaufen uns ein Eis in einer total angesagten Eisbude, Sibylle wühlt sich tapfer mit dem Scontrino bis vor an die leckere Auswahl.

Die Leute, denen wir begegnen, sind alle sehr nett und ausgesprochen hilfsbereit, zumindest solange man sie in der Landessprache anspricht. Unsere Padrone in Vibo Marina beschenkt uns sogar mit Thunfischsteaks aus seiner eigenen Tagesausbeute, 

die wir noch fangfrisch marinieren und in der Pfanne ein paar Sekunden anbraten – ein Gedicht. Wir kommen auch bei der Identifizierung von Problemen mit Steuerung und Autopilot ein gutes Stück weiter – wegen der Lenkung werden wir wohl nochmal aus dem Wasser gehen wollen, bevor die Atlantiküberquerung ansteht, auch wenn wir mit unserer Hydrovane (Windfahnen-Steuerung) natürlich im Notfall ein vollwertiges Ersatzruder zur Verfügung haben. Beim Autopiloten ist es wohl die Motorlagerung, die sich langsam aber sicher verabschiedet, da müssen wir mal Ersatzteile bestellen, wenn es zeitlich passt. Unseren Aufenthalt in Vibo Marina deswegen um fünf Tage zu verlängern – danach stand uns überhaupt nicht der Sinn

Mit unserem wundervollen Ankerstopp am Capo Palinuro haben wir Kalabrien bereits verlassen und segeln weiter die Küste Kampaniens hinauf.

Das heißt, im Moment ist das Segeln ziemlich eingeschränkt – denn auf dem Weg nach Acciaroli ist quasi kurz vor dem Einholen ein Stück Großsegel gerissen. Eine horizontale Naht hat sich aufgelöst vom Achterliek ausgehend, circa 2 Meter bis zur ersten vertikalen Segel-Latte.

Der Segelmacher in Salerno ist bereits beauftragt. Allerdings hat sich eine der Segellatten im Mast verklemmt, so dass das Segel sich nicht mehr ausrollen und abnehmen läßt. Zwei Experten und der Skipper arbeiten seit Stunden hart daran, das Problem zu lösen.

Wir sind zuversichtlich aber manchmal möchte man echt Verzweifeln ☹.  

Im Golfo di Policastro – ein Fisch, ein Fisch!

Heute endlich ist uns das Anglerglück hold. Wir sind auf dem Weg nach Capo Palinuro, leider fehlt mal wieder der vorhergesagte Wind, und eine eklige rollende Welle läßt unter Deck Übelkeit aufkommen. Also schauen wir brav auf den Horizont, wo sich im Dunst allmählich das Kap abzuzeichnen scheint. Auf einmal gibt es einen Anschlag an beiden Angeln, an der Rute wird in Sekundenschnelle die Schnur auf der Rolle immer weniger, am Expander hat die Dose laut gescheppert und das Gummi ist ausgezogen. Hinter uns sehen wir einen großen silbrigen Fisch aus dem Wasser springen, wohl der Befreiungsschlag, denn anschließend ist an der Expander-Angel kein Fisch mehr dran. Sibylle kämpft mit dem Tier an der Schlepprute, während Burkhard Gaff, Handschuhe, Wodka und Messer bereitlegt. Da kracht die Halterung von der Schlepprute, Gott sei Dank hatten wir das Ding mehrfach an der Reling mit Bändseln gesichert. Ab nun ist das Kurbeln richtig unangenehm, Sibylle hat bald keine Kraft mehr und Burkhard übernimmt zeitweise die Ablösung.

Die alte Rute von Sibylles Papi hat auch schon bessere Tage gesehen – abgesehen von geringer Biegsamkeit, schieben sich auch die Segmente ständig zusammen – das erleichtert das Drillen nicht unbedingt …

Nach gut 20 Minuten harten Kampfes ist es geschafft. Mit Hilfe des Gaffs können wir den Fisch anlanden, der sich zum Schluss noch mitsamt Köder und Vorfach um das Ruder unser Windsteueranlage wickelt. Ein prachtvoller Fang: eine Goldmakrele, auch Mahi-Mahi genannt, gute 8 Kilo bringt der Fisch auf die Waage, da haben wir nun mehr als eine Woche Fisch satt :-).

Und weil heute unser Glückstag ist, können wir auch endlich mal wieder – das erste Mal seit unserer Abfahrt aus Griechenland – am eigenen Anker schwojen und vom Boot aus ins Wasser springen, herrlich. Die Bucht am Capo Palinuro ist wunderschön, es steht ein bisschen Schwell herein, aber das stört uns heute überhaupt nicht.

Nur nicht schon wieder in eine häßliche und völlig überteuerte Marina einkehren müssen, davon hatten wir die letzten Wochen mehr als genug – wir werden noch darüber berichten.

Mit einer großen Portion Tartar von der Goldmakrele, nur mit Zitrone, bestem Olivenöl, Salz und Pfeffer angerichtet, beschließen wir diesen aufregenden Tag. Paolo Conte summt im Hintergrund, die Welle schaukelt uns in den Schlaf.