Fünf Jahre unterwegs

Endlich melden wir uns zurück in unserem Blog, hurra!, denn es gibt einen festlichen Anlass: Heute feiern wir unser fünfjähriges Jubiläum. Am 18.12.2016 bringen uns Burkhards Bruder Harald und seine Frau Sabine zum Flughafen Düsseldorf und verabschieden uns nach Rhodos in eine ungewisse Zukunft. Zuvor noch schnell die Winterjacken ins vollgestopfte Lager bringen – so viele Dinge, von denen wir uns damals wie heute nicht endgültig trennen können – aber eine richtige Wohnung haben wir ja ab jetzt nicht mehr.

Nun ist unser Segelboot unser zu Hause, Heimat ist dort, wo wir gerade festmachen oder der Anker fällt. Auch unser Schiff ist vollbeladen bis obenhin – in der Einladung zu unserer Abschiedsparty in Köln hieß es damals, wir reisten mit leichtem Gepäck – das war glatt gelogen.

Hundert Kilo Gepäck schleppen wir in unseren prall gefüllten Reisetaschen, weitere Hundert Kilo Ballast sind unterwegs in zwei Kisten. Als diese in der Nea Marina in Rhodos eintreffen, wissen wir kaum noch wohin mit dem ganzen Zeugs.

Auch ist nicht alles unversehrt – eine große Dose Kräuter der Provence und eine Packung Buchweizenmehl haben sich geöffnet und innig mit dem restlichen Inhalt der einen Kiste verbunden. Der kleine Teddy – ein Glücksbringer geschenkt von Sibylles Papi zum 50zigsten, das hölzerne Segelboot mit Segeln aus Geldscheinen, ein Abschiedsgeschenk der Arbeitskollegen – all das und viel mehr muss mit und begleitet uns seitdem.

Und so sinkt der Wasserpass unserer ITHAKA immer tiefer, auch infolge der zusätzlichen Blauwasserausrüstung, die wir sukzessive an- und einbauen (lassen). Schade um unseren schönen HallbergRassy-blauen Streifen oberhalb der Wasserlinie, den haben wir nach der Übernahme des Schiffes in 2013 neu lackieren lassen – inzwischen ist der Lack vom Salzwasser leider ziemlich angefressen. Beachtliche 18 Tonnen bringt unsere stolze Lady nach der Atlantiküberquerung auf die Waage.

Ein bisschen Wehmut kommt tatsächlich heute auf beim Sichten der Fotos aus 2016: Schnappschüsse aus unserer letzten Wohnung, in der wir uns so wohl gefühlt haben und die sich zusehends leert, während sich gleichzeitig der angemietete Lagerraum entsprechend füllt. Aufnahmen von unserer geliebten Terrasse.

Wir haben viel zurückgelassen, doch bereut haben wir nichts. Wir sind stolz und glücklich, dass wir immer noch an Bord unserer ITHAKA sein dürfen. Und sind dankbar für alles, was wir erlebt haben. Tatsächlich sind wir inzwischen zurück in Griechenland, wo wir in Kalamata auf der Peloponnes gerade unsere dritte Wintersaison im schönen Land der Hellenen verbringen.

Burkhards Rücken-OP in 2017, die langwierige Reparatur am Unterwasserschiff auf den Azoren in 2019, und schließlich die schwerwiegenden Einschränkungen im Zuge der Covid-19 Pandemie, die in den vergangenen beiden Jahren das Segeln und die Erkundung von Land, Leuten und Kultur massiv erschwert haben – diese Umstände tragen dazu bei, dass unsere Lust auf Meer noch keineswegs gestillt ist. Und trotz gelebtem Social Distancing gibt es auch in diesem Jahr wieder wunderbare Segler-Begegnungen, aus denen echte Freundschaften entstehen.

So werden wir ganz sicher noch ein paar Jahre weitersegeln, sofern es die Gesundheit zulässt – ach ja und das Alter 😉… in wenigen Tagen jährt sich auch wieder Burkhards Geburtstag, den wir ganz eng mit unserem Umzug aufs Schiff verbinden – ein halbes Jahrzehnt später.

Auf nach Sicilia! – Trapani

​Gemeinsam mit der ARTE starten wir früh am 23.09. vom sardischen Capo Carbonara gen Sizilien. Die türkisblaue Bucht unmittelbar östlich von Villasimius ist ein echtes Juwel – und wie meistens, hätten wir hier gern ein wenig verweilt. Doch uns sitzt ein kräftiger Mistral im Nacken, da möchten wir doch gern mit respektablem Abstand in Ruhe und sicher übersetzen. Sibylle nutzt die Gunst der Stunde am späten Nachmittag noch für eine Paddelrunde. An Bord der ARTE gibt es ein leckeres Weinchen und für den zurückgebliebenen Skipper werden sogar noch 2 Dosen Bier eingepackt.

Die Überfahrt verläuft gemütlich und relativ unspektakulär. Zunächst ein paar Stunden unter Motor, doch dann kommen wir mit achterlichen Winden ganz gut voran, mal mit und mal ohne Großsegel (die gesamte Route auf Navionics, hier klicken). Die ARTE ist leichter und fährt mit bis zu 3,5 Seemeilen Abstand voraus. Doch auch in der fast mondlosen Nacht ist sie gut am Horizont und auf dem Radar zu erkennen. Das nächtliche Wetterleuchten an Backbord und später auch über Steuerbord ist eingeplant – dennoch hoffen wir natürlich, dass die Vorhersage korrekt ist und wir quasi in einem gewitterfreien Korridor zwischen zwei Unwetterfronten vor dem italienischen Festland und der afrikanischen Küste hindurchsegeln können. Siehe Grafik (estofex.org), unsere Route ist in blau eingezeichnet, unterhalb der dicken gelben Gewitterlinie. 

Bei der Ansteuerung von Trapani gegen Mittag des Folgetages frischt der Wind auf, trifft uns jetzt fast von vorn. Wir reffen wenige Meilen vor dem Hafen schließlich noch das Vorsegel. Die ARTE mit Kurs weiter nördlich muss nun gegen den Wind motoren. Wir sind froh, als wir den Hafen erreichen. Eigentlich muss zur Einfahrt Erlaubnis erteilt werden, doch die Port Police reagiert nicht auf unsere diversen Ansprachen über Funk. Nun denn. Also los Richtung Anleger – Columbia Yachting. Die ARTE prescht vor, semmelt beinahe in eine markierte Untiefe. 

Auch das Anlegemanöver ist bei dem vorherrschenden Seitenwind eher problematisch. Die ARTE knirscht einmal seitwärts an den Steg. Wir brauchen 3 Anläufe bis endlich das rückwärts anfahren gegen den Wind und rechtwinklig abbiegen zum Steg einigermaßen gelingt. Puh. Irgendwie ist man doch aus der Übung nach so vielen Tagen vor Anker.

Endlich liegen wir gut fest. Da kann der Mistral jetzt kommen. Was wir jedoch nicht auf dem Radar haben: der bekannte Starkwind kommt hier nicht nur aus üblichen Nordwestlichen Richtungen, sondern dreht in diesem Falle innerhalb von 48 Stunden zwischen SW und NW. Und nach Süden sind wir an diesem Marina Steg völlig ungeschützt, da der Hafen von Trapani nach Süden offen ist und eine lange Fetsch uns direkt auf den Steg drückt (siehe hier, Wind von Süd). Überhaupt nicht witzig.

Die Grafiken unten zeigen die Entwicklung der Mistral Situation zwischen Sardinien und Sizilien vom 23.-28.09.2020. (Zum Vergrößern einfach auf die Bilder klicken!) In der Bildmitte Sardinien mit unserem Startpunkt im Süden der Insel. Am unteren rechten Bildrand unser Ziel: die Nordwestecke Siziliens mit Trapani an der Westküste.

Wind-Vorhersagen: Windy.com.

 Mi 23.09.

Do 24.09.

Fr 25.09.

Sa 26.09.

So 27.09.

Mo 28.09.

Die ARTE bekommt leihweise unsere Gummi-Ruckdämpfer verpasst, während wir uns wie im Winterlager mit Metallfedern am Steg anketten. Wir sind heilfroh, dass sich das Ganze tagsüber abspielt. So können wir rechtzeitig reagieren, als einer unserer Festmacher sich an der Nachbarleine beginnt aufzureiben. Mit einem beherzten Schritt über die hüpfende Planke auf den mächtig schwankenden Schwimmsteg kann Sibylle das Problem beseitigen, allerdings ist sie komplett durchnässt bei der Rückkehr an Bord. 

Am Nachmittag dreht der Wind auf West-Nord-West und der Spuk ist vorbei, auch wenn der seitlich einfallende Wind deutlich stärker bläst – im Vergleich zu der Schaukelei vorher eher eine Wohltat. Und pünktlich stellt sich auch das vorhergesagte Gewitter ein – wenigstens die Wettervorhersage ist zuverlässig.

Die Stadt Trapani präsentiert sich mit schönen alten Gebäuden und morbidem Charme. Leider ist das Straßenbild außerhalb der zentralen Altsstadtzonen recht verwahrlost und ungepflegt. Müll sammelt sich in sämtlichen Winkeln, vom Wind angeweht und vom Menschen aufgestapelt. Daran werden wir uns auf Sizilien wohl gewöhnen müssen, wie wir später immer wieder feststellen. Trotz allem grandios, monumental, herzergreifend.

Trapani, Altstadt

Der Hafen von Trapani ist der größte an der sizilianischen Westküste. Von hier gibt es Fährverbindungen zum Festland, nach Sardinien, Tunesien und Frankreich. Und auch zu den ägadischen Inseln, die wir als nächstes besuchen wollen. Die Fähre „Sibilla“ (!) wird uns dort mehrfach wiederbegegnen.

In der Kirche gegenüber der Bar unserer Wahl wird gerade eine Hochzeit vorbereitet. Opulente Blumenarrangements im Aufgang zum Portal und im Innern der Kirche.  Bereits mehr als eine Stunde vor Beginn treffen die ersten Gäste ein. Operndivas, Mafiosi – festlich gekleidet sind sie alle. Wir staunen über die Männermode. Sehr kurze, (viel zu) eng geschnittene Hosen, in denen Mann sich nicht einmal bücken kann, um das gelöste Schuhband zu binden. Sibylle macht den Bräutigam auf die Misere aufmerksam, er läuft zur Kirchentreppe, wo ihm eine Verwandte die Schuhe zubinden muss. Socken sind übrigens out in Verbindung mit den kurzen Hosenbeinen. Auch Mann trägt allenfalls ein Paar Footies. Da sieht man, was wir für Banausen geworden sind: in den letzten vier Jahren haben wir halt kaum ein ordentliches Bekleidungsgeschäft betreten, da hat sich wohl einiges verändert. Einen Blick auf die Braut erhaschen wir leider nur von hinten, da hätte man das Ende der Zeremonie abwarten müssen, aber wir wollen ja noch unsere Lebensmittel-Einkäufe erledigen.

Auch die Fischereiflotte ist riesig. Viele der bunten Boote sehen allerdings so aus, als seien sie schon länger nicht mehr bewegt worden. Auf dem Fischmarkt erstehen wir kurz vor Geschäftsschluss ein Pfund Gamberi Rossi, die wir geschält gleich roh genießen – ein Gedicht!

Abgesehen von der ungeschützten Lage bei südlichen Winden ist der Steg von Columbia Ýachting durchaus empfehlenswert. Das gilt nicht für die Sanitäranlagen, allerdings wird man in italienischen Häfen im Allgemeinen ohnehin eher die Borddusche vorziehen.

Aber die Anlage wird sehr gut bewacht, die Betreiber sind unglaublich freundlich und die Marineros aufmerksam und hilfsbereit. Und unsere Marina verfügt über eine wunderbare kleine Bar, die wir in der Abendsonne sehr genießen.

Ach ja – und bevor wir das Wichtigste vergessen: genau 1 Tag nach Ankunft auf Sizilien und damit 11 Tage nach dem COVID-Test in Calasetta teilt man uns nun endlich mit, dass wir „negativo“ getestet wurden. Immerhin, auch wenn das Ergebnis zu diesem Zeitpunkt nur noch historischen Wert hat. Was da eigentlich getestet wurde, kann man der Bescheinigung nur bedingt entnehmen. Es wird halt vorausgesetzt, dass jeder Mensch weiß, dass mit „Tampone“ der COVID19 Nasenabstrich gemeint ist ……

„Il Tampone“ – oder: der COVID-Test

Zum Start ins vergangene Wochenende schließlich überbringt uns Giusi aus dem Büro der Marina Sifredi die überraschende Nachricht: am Montagmorgen müssen wir die Fähre nach Calasetta nehmen, dort soll dann im Hafen um 12:00 Uhr der Test stattfinden. Die Vorgehensweise mutet etwas ungewöhnlich an angesichts der Tatsache, dass wir ja eigentlich unter Quarantäne stehen. Nun denn. Am Sonntagabend erreicht uns kurzfristig eine Planänderung per Email: der Test ist auf 16:00 Uhr verschoben, aber immerhin nicht abgesagt.

Viel zu früh machen wir uns auf den Weg zur Fähre, nach dem Kauf der Biglietti haben wir noch 40 Minuten Zeit. Wie alle anderen Reisenden platzieren wir uns auf eine schattige Bank gegenüber der Anlegestelle und warten. Gegen 14:10 Uhr sitzen wir schließlich am Oberdeck der Fähre und legen ab. Man hat den Eindruck, das Schiff fährt mit stark gedrosselter Geschwindigkeit, tatsächlich dampft sie mit immerhin 9 Knoten. Doch angesichts der vielen Untiefen im Kanal ist das wohl sicher nicht die Höchstleistung, die der Dampfer erbringen kann.

Eine halbe Stunde später sind wir drüben in Calasetta. Der Ort liegt auf der Nachbar- (Halb-) Insel San Antioco, die im Unterschied zur Isola di San Pietro jedoch über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. Das Ortsbild ist trist und wenig anziehend – kein Vergleich zum hübschen Carloforte. Viele Gebäude sind baufällig, die Straßen mit Schlaglöchern durchsetzt, Bauzäune und Absperrungen prägen das Bild. Beim Aussteigen und umschauen identifizieren wir zwei weitere Crews, die offenbar wegen des COVID Test hierhergekommen sind. Eine dritte Crew wird später von einem der Schiffe zu uns stoßen, die unmittelbar außerhalb des Hafens von Calasetta vor Anker liegen.

Um die Zeit totzuschlagen kehren wir in einer Pizzeria ein, ein paar Meter die Hauptstraße hinauf. Auch hatten wir gehofft, eine Kleinigkeit zu essen zu bekommen, aber um diese Tageszeit wird leider nur etwas Knabberzeug zum Getränk serviert.

Gegen 15:50 Uhr gesellen wir uns zu unseren Leidensgenossen, auch die britische Crew von dem Ankerlieger ist inzwischen eingetroffen. Nun wird es spannend, wir schauen öfter etwas nervös auf die Uhr, denn gern würden wir die nächste Fähre zurück nach Carloforte nehmen, ansonsten müssten wir nochmals mehr als eine Stunde hier ausharren und warten.

Tatsächlich, mit nur 5 Minuten Verspätung erscheint die Mitarbeiterin der ATS Sardegna (sardischer Gesundheitsdienst), wie wir an der Aufschrift auf dem Fahrzeug erkennen können. Sie begrüßt uns freundlich, öffnet dann den Kofferraum und beginnt mit den Vorbereitungen.

Jede(r) von uns hat sich zuvor bei Ankunft auf Sardinien bereits online auf der Website „Sardegna Sicura“ registriert, die Ausweisdokumente dort hinterlegt, und mit der Registrierung eine Nummer und einen QR Code erhalten. Dennoch werden jetzt zunächst Name und Ausweisnummer von Hand auf Klebe-Etiketten geschrieben, und anschließend auf die Probenträger geklebt …

Nach etwa 20 Minuten startet dann die Dame mit den Tests, immerhin in der derselben Reihenfolge, in der sie die Ausweisdaten aufgenommen hat, das beschleunigt die Durchführung erheblich. Insgesamt sind es 11 Leute, die nun zum Test anstehen. Inzwischen ist auch die Fähre aus Carloforte wieder eingetroffen, und die Aktion auf dem öffentlichen Parkplatz neben der Biglietteria der Fährgesellschaft „Delcomar“ findet reges Publikumsinteresse bei den ein- und aussteigenden Fährgästen.

Der Test ist recht unangenehm, das Wattestäbchen (Tampone) wird sehr tief in die Nase eingeführt.

Doch nach wenigen Sekunden ist alles vorbei – und wir können es kaum glauben, aber die Fähre legt tatsächlich erst ab, nachdem alle Getesteten an Bord sind. Hinter uns zieht ein heftiges Gewitter auf, als wir den eher ungastlichen Ort wieder in Richtung Carloforte verlassen.

Auf das Testergebnis warten wir seither vergeblich ….

Inzwischen haben wir allerdings unsere Seewasserpumpe erfolgreich wiedereingesetzt, und es ist uns sogar gelungen, das hierfür vermeintlich erforderliche Zentrierungs-Werkzeug anfertigen zu lassen. Gebraucht hätten wir es allerdings nicht, wie sich beim Einbau herausstellt, denn die Achse des Pumpenantriebs sitzt noch wunderbar mittig, so wie es sein soll.

 

Zusammensetzen der Seewasserpumpe …..

So verlassen wir nach 9 Tagen schließlich Carloforte und bummeln inzwischen ein wenig durch die Buchten in Sardiniens Süden, bis sich ein geeignetes Wetterfenster für die Überfahrt nach Sizilien auftut. Am kommenden Montag liegt unsere Einreise von Spanien dann 14 Tage zurück, so dass auch ohne Testergebnis die Quarantäne beendet sein dürfte.

Isolamento Fiduciario

​Zu deutsch: Quarantäne.

 

Am Nachmittag des 07. September erreichen wir nach 201 Seemeilen und 31,5 Stunden Fahrt den Hafen von Carloforte im Südwesten von Sardinien. Vier Stunden müssen wir zu Beginn auf den nordöstlichen Wind warten, dann rauschen wir wie auf Schienen bei zumeist halbem Wind, der allerdings sowohl in der Stärke als in der Richtung stark böig variiert, hinzu kommt eine unangenehme Welle, die selten weniger als drei bis vier Meter misst.

Gemäß Vorhersage wird der Wind schließlich ein paar Stunden vor Ankunft immer kräftiger, je weiter wir uns der Küste nähern. Vorsichtshalber reffen wir wieder, und bei richtig viel Wind biegen wir schließlich oberhalb der Isola Piana ein in den seichten und von Untiefen gespickten Canale di San Pietro (hier klicken für Routendarstellung auf Navionics).

Kurz darauf bergen wir bei knapp 35 kn Wind die Segel und kämpfen uns durch die kurzen Wellen. Bis zur definierten Ansteuerung von Carloforte haben wir den Wind von achtern, dann von Steuerbord, das ist richtig heftig, die Kurslinie ist kaum zu halten. Und das mit einer Fähre im Rücken, die uns bei der Einfahrt in den Hafen mehrfach durch Hupen versucht zu verdrängen und uns auf Italienisch wüst von der Brücke beschimpft.

Im Hafenbecken ist es schließlich etwas ruhiger, so dass wir Leinen und Fender parat machen können. Der Marinero der Sifredi Marina muss mit dem Dinghi auf uns warten, Bis Burkhard auch noch den Wassergenerator eingeholt hat, der diesmal zusammen mit dem Superwind die gesamte Fahrt über für fast volle Akkus gesorgt hat.

In diesem Moment bemerkt Sibylle, dass unser Motor mal wieder kein Wasser mehr spuckt und komische Geräusche von sich gibt. Oh nein! Es hilft jedoch nichts, wir müssen nun erstmal noch zu unserem Anlegeplatz. Sehr nervös folgen wir dem Marinero. Bei dem immer noch vorherrschenden Wind ist das Anlegemanöver ohnehin kein Spaß, und jetzt auch noch der Motor überhitzungsgefährdet. Doch die Maschine hält durch, bis wir an den Moorings fest sind und eben den letzten Schub rückwärts zum Anziehen der Festmacher beendet haben – da schrillt das Temperatur-Alarmsignal. Nochmal Glück gehabt.

Am Steg wartet und winkt schon die Crew von der ARTE, doch aus einem gemeinsamen Willkommenstrunk wird vorläufig nichts, denn wir sind – aus Spanien einreisend – ab jetzt in Quarantäne, bis wir ein negatives COVID-19 Testergebnis vorlegen können. Das Schiff dürfen wir bis dahin nicht verlassen. Und das kann dauern, wie man uns gleich zur Begrüßung mitteilt …

Wir trinken erstmal ein paar große Schlucke nach der Aufregung. Die Dame im Marina-Büro  – `Giusi` – ist furchtbar nett, sie hat bereits die zuständigen Stellen wegen unseres Tests kontaktiert, aber noch keine Antwort erhalten. Das von uns bereits vorab ausgefüllte Formular Dichiarazione Marittima di Sanitá per il Diporto müssen wir nochmal schicken, da es nicht älter als 12 Stunden sein darf. Die Untersuchung des Motors verschieben wir auf den nächsten Tag, die Maschine ist ohnehin zu heiß. Von Guisi bekommen wir Adressen für einen Supermarkt mit Lieferservice und einen Pizzadienst. Also bestellen wir erstmal Pizza und gehen früh in die Koje.

Seither warten wir darauf, getestet zu werden. Laut Vorschrift sollte der Test eigentlich innerhalb 48 Stunden erfolgen. Die zuständigen Stellen reagieren jedoch auf keine unserer Emailanfragen, von den vier zur Verfügung stehenden Telefonnummern funktioniert überhaupt nur eine, doch der Anschluss ist entweder besetzt oder es hebt niemand ab. Auch Giusi im Marina-Büro verzweifelt so langsam, und hat bereits die Marina-Eigner zur Verstärkung eingeschaltet.

Wir demontieren inzwischen unsere Seewasserpumpe – und siehe da: nicht ganz unerwartet, das altbekannte Problem! Nach nur knapp 500 Motorstunden hat sich der Mitnehmer nun wieder völlig aufgezehrt und mal wieder die Nut in der Antriebswelle so beschädigt, dass auch diese getauscht werden muss. Diese Ersatzteile haben wir Gott sei Dank seit Gran Canaria an Bord. Die alten Teile werden gesäubert und auseinandergebaut, zum Rückbau haben wir jedoch noch ein paar Fragen, die Chris aus Almerimar uns aber detailliert beantworten kann, denn er hat auf seinem Schiff den gleichen Motor. Außerdem benötigen wir spezielles Fett und ein Adapter-Tool für den Wiedereinbau, da muss jemand her, der das Werkzeug für uns drechseln kann.

Schon eine Herausforderung, wenn man nicht von Bord darf, aber Gerhard von der ARTE bietet seine Unterstützung bei der Beschaffung an, während seine Frau Patricia uns mit frischen Lebensmitteln aus dem Supermarkt versorgt. Die beiden haben vorsichtshalber bei Ankunft verschwiegen, dass auch sie aus dem Risikogebiet Spanien einreisen, es hat sie allerdings auch nie jemand danach gefragt.

Heute ist Freitag, 11. September 2020. Die Woche ist gelaufen, ein Test wird vor Montag nicht stattfinden. Wir finden es mittlerweile ziemlich unhöflich, dass man unsere Anfragen schlichtweg ignoriert.

Das Adapter-Werkzeug haben wir heute Morgen erfolgreich mit Vermittlung der Marina bei einem Metallbauer in Auftrag geben können. Sobald wir die die Motorkühlung Anfang kommender Woche wieder eingebaut haben, werden wir ablegen und uns in die nächste schöne Bucht verholen. Bis dahin sollte auch die derzeitige Gewitterlage sich beruhigt haben.  

Dass wir weiterhin die strikte Quarantäne einhalten, dafür stehen wir im Moment nicht unbedingt ein …. Doch selbstverständlich werden wir allmorgendlich unsere Temperatur messen, wie vorgeschrieben 😉

Der Hochsommer verabschiedet sich mit Donnerschlag

Am 24. August ist es endlich so weit, der Mast wird wieder aufgestellt (siehe hier ein kurzes Video). Es wird jedoch noch weitere Tage dauern, bis alles wieder an seinem Platz und getestet ist. Und obwohl es uns nach mehr als drei Wochen nun endlich zur Weiterfahrt drängt, verbleiben wir freiwillig nach Abschluss der Rigg-Arbeiten noch zwei weitere Nächte in der STP-Marina in Palma, denn am Samstag 29. August sind für die Region heftige Gewitter angesagt. Eine weise Entscheidung. Stundenlang schüttet es auch in Palma aus Kübeln (klicke hier für Link zum Video), doch die gefürchteten Blitze können unserem Schiff hier in der Werft, umringt von jeder Menge sehr hoher Masten, nichts anhaben.

​Nach Donnerschlag und Regen ist es merklich abgekühlt, das bleibt auch so. Der Hochsommer mit seiner brütenden Hitze ist definitiv vorbei, Schade nur, dass wir in dieser Zeit im Hafen liegen mussten.

​Nach einer angenehmen Nacht – die erste seit langem ohne laufende Klimaanlage – machen wir uns sonntags auf in Richtung Cabrera. Es ist uns tatsächlich gelungen, auf der Insel eine der begehrten Bojen zu buchen, ankern darf man dort im Nationalpark nicht. Wir sind gespannt, das südlich vor Mallorca gelegene Inselarchipel mit ihrer Hauptinsel Cabrera gilt als Geheimtipp und versteckte Perle des Mittelmeeres. In der Tat ist es sehr schön dort draußen, circa 10 Meilen vor der Küste Mallorcas, vor allem die Ruhe macht den Reiz aus – kein heulender Jetski, lästige Motorbootflitzer oder sonstige Geräuschkulisse, die man in Badebuchten regelmäßig antrifft. Und auch kaum Internetverbindung. Die Location ist sicher ein Highlight innerhalb der Balearen, doch kennen wir in Griechenland und der Türkei durchaus einige schöne Plätze, die neben dieser Perle hier locker bestehen können.

Die gut geschützte Bucht bietet Platz für 50 Boote unterschiedlicher Größe, aber nicht einmal die Hälfte der Bojen ist aktuell belegt. Leider ist das Wetter bei Ankunft trübe, doch am nächsten Vormittag strahlt die Sonne wieder, und bis 17:00 Uhr dürfen wir an unserer Boje verbleiben, wenn wir wollen. Das nutzen wir aus und Sibylle paddelt mit dem SUP einmal um die Bucht. Vor der Abfahrt müssen wir dann erstmal unseren Festmacher befreien, der sich mit der Boje total vertörnt hat – unsere Leine war zwischen zwei Metallteilen in der Boje verklemmt, sehr unschön, das hätte auf Dauer die Leine zerrieben.

Die nächste Nacht verbringen wir quasi an der Küste gegenüber in Mallorcas Süden, vor Anker am Strand von Es Trenc, um am Folgetag sehr früh unter Motor die Ostküste gen Norden zu fahren. Wir wollen bis Cala Rajada bzw. Cala Aguila oder Moltó. Von dort ist der kürzeste Pass nach Menorca, und morgen gibt es womöglich auch Wind um zu segeln, die kommenden Tage sehen da eher schlecht aus.

Schon früh beim ablegen sehen wir am Horizont am Cap de Ses Salines eine ganze Zahl von verschiedenen Booten, als wir näherkommen werden es immer mehr. Es sind Fischerboote, kleine Motorboote, Schlauchboote und auch ein Segler steht dazwischen. Von allen Booten wird geangelt. Gott sei Dank ist nicht viel Bewegung in dem Feld – denn wir müssen irgendwie da durch, und wir haben natürlich auch die Schleppangel nach hinten draußen. Als wir glücklich auf Abstand sind, sehen wir am nächsten Kap schon gleich wieder eine solche Ansammlung, und so geht es über viele Meilen, bis weit nach Mittag. Sehr merkwürdig, wir können nicht erkennen, was man angelt und auch im Internet findet sich zu diesem Event nichts. Es sind in jedem Fall kleinere Fische im Visier, denn die Angeln sind klein und manch einer angelt nur mit der Schnur in der Hand.

Gegen 15:00 erreichen wir Cala Aguila/Moltó. Vor und in der Einfahrt sind viele Fischerbojen, mit kleinen Bäumchen markiert anstelle von Fähnchen. Sie stehen auf einer soliden Holzkonstruktion und man kann sie kaum erkennen. Nicht schön. Wir entscheiden uns für die kleinere der beiden Buchten (Moltó) und geben ordentlich Gas, denn hinter uns fahren zwei weitere Boote mit demselben Ziel. Tatsächlich erreichen wir die Bucht als erste und ankern zwischen einem Segler und einem Katamaran, allerdings hält der Anker erst beim zweiten Versuch. Unsere beiden Konkurrenten drehen daraufhin ab. 

Kurz darauf bricht der Segler neben uns auf, so dass wir uns nochmal verholen können mit größerem Abstand zum Katamaran. Die Bucht ist schön, die hässlichen Hotelbauten der Nachbarbucht durch Felsen verdeckt. Das Wasser ist türkis und klar, allerdings schwimmt einiges an Müll umher. In jedem Fall werden wir Schwell bekommen, aber wir wollen am nächsten Morgen ja früh nach Menorca rüber.

Daraus wird zunächst nichts, denn im Morgengrauen zieht ein Gewitter auf. Wir schalten den Wecker ab und drehen uns nochmal um, bei Gewitter können und wollen wir nicht starten. Nachdem Donner und Blitz sich gelegt haben, bleibt der Regen.

Wir wollen nun trotzdem los, denn wenn wir heute die Chance nicht nutzen, können wir in den nächsten Tagen nur wieder den Motor bemühen. Außerdem ist der Schwell inzwischen so stark, dass es keinen Spaß mehr macht, in dieser Bucht zu bleiben.

In vollem Ölzeug starten wir kurz nach 09:00 Uhr. Draußen kämpfen wir uns durch die Fischerbojen hindurch, nach ca. 30 Minuten setzen wir das Groß, aber der erwartete Wind stellt sich zunächst nicht ein, dafür wird es heller und der Regen hört auf. Nach 2 Stunden kommt der vorhergesagte NO Wind in ausreichender Stärke und wir können endlich mal wieder segeln, wenn auch sehr sportlich und hoch am Wind. Bereits kurze Zeit später müssen wir reffen. Das neue Rigg fühlt sich gut an, es steht deutlich ruhiger, erst jetzt wird uns klar wie ausgeleiert auch das alte Achterstag schon gewesen ist. Am Nachmittag lassen wir den Autopiloten verschnaufen und übernehmen selbst das Steuer. So können wir besser Höhe machen, indem wir in starken nördlichen Böen viel vorhalten, und auf diese Weise kommen wir unter Segel bis wenige Meilen zum Ziel (die Route auf Navionics – hier klicken).

Mit gemischten Gefühlen laufen wir am Spätnachmittag in die Bucht Teulera bei Mahon, wo uns vor zwei Jahren ein schwedischer Segler in einer Gewitternacht ziemliche Schrammen zugefügt hat. Doch erwartet uns hier bereits die „Almerimar-Fraktion“, die GLEC und die ARTE, die uns mit großem Jubel willkommen heißen. Außerdem ist auch die „Momentum“ hier, und auch Babs und René legen zur Begrüßung einen Dinghi-Stopp bei uns ein.

Bei Tagesanbruch verabschiedet sich die ARTE Richtung Sardinien, wir machen uns auf mit dem Dinghi die zwei Meilen in die Stadt nach Mahon, gemeinsam mit der GLEC wollen wir das Mahou-Brauhaus besuchen. Unser Dinghi ist immer noch undicht, eine Stelle hinten hat Sibylle erfolgreich geflickt, aber jetzt kommt rundherum an den Nähten richtig viel Wasser rein, das wir mit einem Joghurtbecher immer wieder rausscheppen müssen. Da muss wohl demnächst ein neues Dinghi her.

Zwei Tage später trennt sich die Almerimar-Runde dann endgültig und für länger – wir fahren zum Tanken und legen uns für eine Nacht an den Kai in Mahon, auch um die Batterien vor der Überfahrt nach Sardinien nochmal vernünftig aufzuladen. Bei wenig Wind und viel Bewölkung in den letzten Tagen ist das leider mal wieder nötig.  Die „Merlin“ und die GLEC werden weiter auf den Balearen bummeln, um für den Winter nach Almerimar zurückzukehren.

Der Tag wird feuchtfröhlich, auch die „Merlin“ gesellt sich dazu, und der geplante Einkauf bei `Mercadona` wird auf spätabends verschoben, nachdem wir auf dem Weg dorthin in einer weiteren Bar hängenbleiben. Lange waren wir nicht mehr so ausgelassen und entspannt – in Palma haben wir es meist vermieden auszugehen, da sich die Stadt sehr schnell nach der Öffnung zu einem neuen Corona-Hotspot entwickelt hatte. Doch hier auf Menorca ist alles noch im grünen Bereich, vor allem gibt es auch deutlich weniger Menschen hier. 

Finde den Fehler!

Auf dem Suchbild oben lässt sich unschwer erkennen, dass unser „kurzer Abstecher“ nach Palma sich leider zu einer Reparatur ungeahnten Ausmaßes ausgewachsen hat.

Erst vor vier Jahren haben wir im Hinblick auf unsere geplante Atlantiküberquerung in Marmaris (Türkei) die Stagen*, Wanten* und Mast-Verbindungen unseres Riggs erneuern lassen. Und die Arbeiten wurden dort nicht von irgendeiner Hinterhof-Werkstatt, sondern von einem Seldén**-Vertragspartner ausgeführt. Mit dem Erfolg, dass nun der Rigger hier in Palma zu unserem Entsetzen feststellt, das Rigg sähe aus wie nach zwanzig Jahren, nicht wie nach vier …. Ein eingehender Check zeigt, neben dem von uns kürzlich entdeckten Defekt ist eine weitere Want in Auflösung begriffen und mehrere Mastverbindungen (auch Terminals oder Fittings genannt) weisen Haarrisse auf, die über kurz oder lang zum Bruch der stählernen Verbindungsstücke führen.

Mögliche Erklärungen: elektrische Ströme haben zu frühzeitiger Korrosion des Riggs geführt, oder aber die mit der Marke „Bluewave“ gebrandeten Terminals sind billige Plagiate, die Drahtseile China-Schrott. Wie auch immer, es hilft nichts, das Rigg muss runter, alle Drähte und Verbindungen neu. Das müssen wir erstmal verdauen.

Auf Empfehlung des Riggers wird erstmal ein Elektriker bestellt, der alles durchmisst. Es gibt keine Ströme, die eine solche Korrosion verursacht haben können. Also fragen wir bei der Versicherung um Rechtsschutzbeistand an, sollte sich bewahrheiten, dass minderwertiges Material verwendet wurde. Eine Antwort erwarten wir in der kommenden Woche.

Zu unserem Trost eilt die GLEC herbei. Sie hatten Pech mit ihrem Wassermacher, wo im laufenden Betrieb ein Schlauch geplatzt und die Bilgen mit Salzwasser gefüllt hat. Auch nicht schön. Wir verbringen zwei Abende gemeinsam, doch dann sind sie auch schon wieder weg. Wehmütig stellen wir fest, nun sind wir wieder die einzigen mit solch einem winzigen Schiff in diesem Shipyard, wo zu Wasser und an Land fast ausschließlich Super- und Megayachten liegen, ab sechzig Fuß aufwärts. Unglaublich, wie verloren und klein unser Bötchen wirkt inmitten der riesigen Masten. Und auch die Kaimauer ist eigentlich viel zu hoch für unsere Schiffsgröße, die Festmacher-Poller völlig überdimensioniert.

Dennoch fühlen wir uns nicht unwohl hier. Alles ist super durchorganisiert, die Handwerker pünktlich und zuverlässig, die Marineros entspannt und freundlich. Seit einigen Jahren gibt es sogar eine Agentur vor Ort, die sich um Sicherheit und Qualitätsabläufe der Großprojekte hier in der Werft kümmert.

Und so hat Burkhard montags früh tatsächlich das erste offizielle „Meeting“, seit er seinen Büro-Job an den Nagel gehängt hat. Die Dame der Agentur AdSum ist bestimmt, aber hält die Besprechung kurz: schließlich sind wir ja nur ein kleines Schiff, nur zwei Firmen sind beauftragt, Rigger und Elektriker (die haben übrigens bei dem Meeting ebenfalls Anwesenheitspflicht) und Burkhard vereint alles in einer einzigen Person: Captain, Skipper, Projekt-Koordinator … 😊. So bleibt uns Gott sei Dank auch das Ausfüllen endloser Listen mit Schiffs- und Lieferanten-Details erspart.

Es ist bewölkt und regnet, als die Rigger kurz nach Sonnenaufgang kommen, um das Rigg zu demontieren. Bereits am Nachmittag zuvor haben wir uns in einen der Krankänale verlegt, um das Kranen von Mast und Baum zu ermöglichen. Dabei haben wir auch noch Glück: in dem Moment, wo der Mast eben auf den Rollstützen aufliegt, auf denen er später zu seinem Lagerplatz am anderen Ende der Werft geschoben wird, beginnt es zu stürmen – mit Mast im Kran wahrlich kein Spaß.

Nun sind wir seit vier Tagen „oben ohne“ – auf jeden Fall fühlt man sich ziemlich nackig ohne Rigg. Bis zu zwei Wochen müssen wir noch einplanen, bis alle Teile gecheckt, gesäubert, überholt und erneuert sind. Mit Dimitriy unserem Rigger haben wir besprochen, dass wir so viel wie möglich selbst beitragen werden, zumindest bei Säuberungs- und Polierarbeiten, um die Rechnung nicht unnötig aufzublähen. Aber mit 10 großen Scheinen sind wir Minimum dabei … ☹

 

*) Stagen nennt man die Drahtseile, die den Mast nach vorn und hinten fixieren, die Wanten fixieren den Mast seitlich, der bei unserem Schiff lediglich auf dem Deck aufgestellt ist.

**) Seldén ist ein renommierter Hersteller von Masten, Bäumen und vielerlei anderer Hardware für Segelboote.

Endlich wieder unterwegs

Mit Aussicht auf das Ende des Lockdowns am 22. Juni macht sich unter den Seglern in Almerimar emsige Geschäftigkeit breit. Die Schockstarre des Hausarrests noch in den Knochen, fängt man nun auf den Schiffen an zu werkeln, was das Zeug hält. Sämtliche aufgeschobenen Projekte werden in Windeseile in Angriff genommen, denn jeder möchte reisefertig sein, wenn es denn endlich wieder möglich ist. Die Crew von der GLEC ist oft tagelang abgetaucht in der Installation von Windgenerator, Wassermacher, Windfahnensteuerung und anderer `Kleinigkeiten`. Und dort wie auch auf der ARTE entwickelt sich das Thema „Bruno“ zum Dauerbrenner. Bruno, der hiesige Mann für Canvas-Arbeiten, hat es in den vergangenen 7 Monaten bisher nicht geschafft, die lange beauftragten Gewerke anzufertigen. Immer wieder wird neu vermessen und angepasst, dazwischen ist der Mann oft mehrere Tage einfach nicht erreichbar.

Da sind wir doch froh, dass wir uns diesmal dank Sibylles Nähkünsten nicht auch noch in die Reihe der ewig Wartenden anstellen müssen. Bereits im Januar hat sie in der Werkstatt von Planenmacher.de in Voerde unter Aufsicht von Jolanthe und Michael unser Bimini neu nach Muster genäht. Zunächst widerwillig lassen wir uns überreden, statt edlem Tuch nun edlen Kunststoff (Stamoid) zu wählen. Aber tatsächlich sieht man den Unterschied kaum, und die Vorteile liegen klar auf der Hand: undurchlässig gegen Regen, sehr strapazierfähig und einfach zu reinigen. Ein Nachteil: nächtliche Feuchtigkeit schlägt sich auch auf der Unterseite des Sonnenschutzes nieder und tropft morgens beim Aussteigen in den Nacken. Nun denn, man kann halt nicht alles haben. Dafür konnten wir nun sehr einfach einen D-Ring zur Befestigung für unsere Fatboy-Bolleke Hängelampe ankleben.

Über mangelnde Arbeit können wir uns dennoch nicht beklagen. Wir erneuern die fälligen Teakpfropfen am Deck und streichen das unansehnlich gewordene Holz mit Boracol ein – mit sehr gutem Erfolg wie sich inzwischen zeigt. Außerdem tauschen wir die Dreifarbenlaterne im Masttopp inklusive des dazugehörigen Kabels.

Wie sich bei der Demontage herausstellt, hätten wir die neue Laterne wohl gar nicht benötigt, denn der eigentliche Übeltäter ist das korrodierte Kabel. Also nehmen wir die alte Laterne auf die Liste unserer Ersatzteile. Bei Decks- und Dampferlicht werden die Leuchtmittel getauscht. Außerdem ziehen wir eine neue Dirk sowie eine neue Rein-/Rausholleine für das Großsegel ein. Wir sind mächtig stolz, was wir inzwischen alles selbst zuwege bringen – noch vor ein paar Jahren hätten wir hierfür Handwerker beauftragen und … warten müssen.

Zwischendurch trifft man sich zum Austausch mit ARTE und GLEC auf einer Terrasse der inzwischen wiedereröffneten Bars und Restaurants. Es ist so traurig, dass unsere lieben Holländer Jos und Hans, die Crew von der „Rasant“ nicht mehr mit dabei sind. Wegen Rückenproblemen bei Hans sind die beiden leider Mitte Mai nach Holland abgereist. Wir vermissen sie sehr.

Unsere TO-Stützpunktleiterin und Chefin des „Lava-Centro“ Alex organisiert eine kleine Abschiedsrunde für die deutschen Schiffe im „Stumble Inn“.

Sibylle hat an diesem Tag heftige Schmerzen im Kiefer – Zahn oder Zahnfleisch ist die Frage. Mit Ibuprofen bekämpft sie den Schmerz erfolgreich übers Wochenende. Am Montag nach Besuch der Zahnklinik dann kullern die Tränen vor Enttäuschung. Eine Wurzelbehandlung ist erforderlich, und die Behandlung wird erst nach einer Antibiotikatherapie Anfang Juli erfolgen können. Das war es also vorerst mit unserer Abreise.

Die ARTE prescht vor und legt schließlich als erste ab. Windtechnisch ist der Tag nicht eben günstig gewählt – und dann fällt auch noch der Motor aus. Mit kleiner Drehzahl machen sich Patricia und Gerhard auf den Rückweg, der Motor verläßt sie, als sie gerade so eben den Warte-Kai von Almerimar erreicht haben. Die Beiden sind fix und fertig. Am nächsten Tag werden sie ins Hafenbecken geschleppt und „Schrauber-Frank“ macht sich sofort an die Arbeit. Leider eine größere Sache, Ersatzteile müssen aus Schweden bestellt werden.

Schnell geben wir noch unsere Rettungsinsel zur Wartung – wir hatten völlig vergessen, dass in diesem Frühjahr der dreijährliche Service fällig ist. Hätte man ja sonst längst mal machen lassen können. Gott sei Dank arbeitet der autorisierte Viking-Servicepunkt sehr schnell und bringt die Liferaft pünktlich vor unserem geplanten Abreisedatum zurück.

Am 2. Juli ist es dann endlich soweit: nach vielen ungeplanten Tagen in Almerimar, davon 99 Tage im Corona-Lockdown, sind wir endlich wieder unterwegs. Doch auch uns lässt der Ort so schnell nicht los: nach einer Stunde Fahrt schlägt der Motor Alarm: Temperatur. Das kennen wir ja nun schon von zwei Vorfällen im vergangenen Frühjahr, das Thermometer zeigt 88°C. Wir lassen den Motor ein bisschen abkühlen und fahren dann mit erhöhter Drehzahl unverdrossen weiter. Nach weiteren vier Stunden, wir sind kurz vor Cabo de Gata, meldet sich der Alarm erneut. Außerdem Öldruckalarm. Mit dem Infrarotthermometer messen wir 105° C auf dem Wärmetauscher. Nix gut. Telefonat mit Frank, dem Mechaniker, er will sich am Wochenende Zeit für uns nehmen, sobald er die ARTE verarztet hat. Nun denn, wir kehren um. Gegen Wind und Welle – den Wind hatten wir eigentlich vormittags erwartet, er hätte uns zum Cabo pusten sollen, nun kämpfen wir gegen an. Übrigens ohne weitere Alarmmeldungen der Maschine.

Frank kommt am Samstag, die Vermutung ist schließlich, das Thermostat, das die Wasserzufuhr zum inneren Kühlkreislauf regelt, sei kaputt. Das Teil wird bestellt aus Barcelona, sollte schnell kommen. Leider widmet er sich einer genauen Untersuchung des Wärmetauschers erst am folgenden Dienstag, so dass wir wertvolle Zeit verlieren, denn tatsächlich scheint die eigentliche Ursache für die Überhitzung bedingt durch lose Gummiteile im inneren Kühlkreislauf, die offenbar immer mal wieder den Durchfluss verstopfen. 

Eine Gummimanschette hat sich aufgelöst, auf der der Wärmetauscher lagert. Vorsichtig werden mit einer sehr langen Pinzette aus dem Küchenutensilienbestand so viele der Gummibrösel wie möglich herausgefischt. Die Manschette muss neu, ebenso zwei Hauben, und alles muss bei Volvo in Schweden bestellt werden. Erst am 13. Juli treffen die Teile ein und während Frank unten arbeitet, wird Almerimar in Nebel gehüllt – es dampft wie in einer Waschküche am helllichten Nachmittag.

Gleich am nächsten Morgen legen wir erneut ab.  Der Wind ist nicht günstig aber in den nächsten Tagen werden die Startbedingungen noch schlechter bis unmöglich. Am Cabo de Gata müssen wir echt kämpfen, für die Rundung unter Motor mit Stützsegel brauchen wir gut 1,5 Stunden. Danach geht es wieder. Nachts an Cartagena vorbei, dann ab frühen Morgen können wir endlich mal segeln und entschließen uns, Alicante anzusteuern. Und juhu, es beißt mal wieder ein Fisch – ein „Little Tunny“ – alles, aber klein ist der nun wirklich nicht, bringt knapp zehn Kilo auf die Waage.

Den kurzen Aufenthalt in Alicante nutzen wir ausschließlich zum Tanken und zum Entsalzen des Schiffs. Die schöne Stadt kennen wir schon von unserem Besuch im letzten Jahr zusammen mit Sibylles Nichte Emily und ihrem Freund Ben Ole. Und jetzt, wo überall die COVID-19 Infektionen wieder ansteigen, ist uns gar nicht danach, sich unbedingt unter unbekannte Menschen zu mischen.

Und so wird ab jetzt geankert. Mit reichlich Vorräten inklusive des großen Fangs sind wir autark für die nächsten Wochen. Von der hübschen Bucht bei Moraira kurz unterhalb von Denia gelegen, springen wir am nächsten Morgen ab rüber Richtung Formentera. Bei spiegelglatter See sind wir auch ohne Wind bereits am Nachmittag drüben im Ankerfeld von Es Trucadors, in unmittelbarer Nähe der Durchfahrt zwischen Ibiza und Formentera gelegen.

Und wir genießen das Ankerleben in vollen Zügen. Drei Tage hier, dann vier Tage in der Bucht von Tarida auf Ibiza. Dort betreten wir zum ersten Mal wieder festen Boden, allerdings auch nur, um unseren Müll zu entsorgen, denn das Menschengewimmel an dem allerdings sehr schönen Strand ist uns dann doch zu unheimlich.

Ein Traum ist die Bucht Cala Blanca, ebenfalls an der Westküste von Ibiza gelegen. Nicht viele Boote finden den Weg hierhin, vermutlich weil es hier weder ein Restaurant noch Internetempfang gibt. Gut für uns, denn seit einigen Tagen spürt man nun doch, dass mit Beginn der Urlaubssaison die Buchten sich zusehends füllen. Charterboote sind allerdings kaum unterwegs, außer ein paar wenigen mit meist spanischer Crew sind bei den Seglern nur Eigner zu anzutreffen. Wir paddeln auf dem SUP Board, schnorcheln und genießen das türkisblaue Wasser – schwimmend und in der Hängematte schaukelnd.

Und wir geben uns redlich Mühe, den Kühlschrank zu leeren …

Richtig viel Lust haben wir auch nach vier weiteren Tagen eigentlich gar nicht, um rüber nach Mallorca zu segeln, aber irgendwann wollen wir ja auch mal ein Stück weiter. Und in der weitläufigen Bucht von Santa Ponça im Südwesten von Mallorca gefällt es uns diesmal sogar überraschend gut, auch wenn diese mit der unverbauten Idylle unserer letzten Ankerbucht nichts gemein hat. Hier stocken wir nun auch endlich mal wieder Vorräte und Getränke auf, da der Skipper inzwischen in Ermangelung von Bierreserven dazu übergehen musste, Sibylle den Wein wegzutrinken 😉.

Auch den Münz-Waschsalon besuchen wir und belohnen uns für die Strapazen in der sehr gepflegten Strandbar mit Drinks und Tapas. Es fühlt sich komisch an, wieder unter Menschen zu sein. Die Abstandsregeln zwischen den Tischen und Gästen werden zumindest in dieser Bar gerade so eingehalten und das Personal trägt Maske wie vorgeschrieben. Auf den Balearen herrscht – wie inzwischen fast wieder überall im Land – verschärfte Maskenpflicht, das heißt, Maske tragen immer und überall, außer am Strand und beim Sport. Eine echte Herausforderung bei der Glut-Hitze hier im Hochsommer.

In Santa Ponça treffen wir schließlich auch Claudia und Gordon wieder, die Crew von der GLEC, die uns an Gordons Geburtstag an Bord mit leckerer Pasta bewirtet.

Für einen kurzen Stopp wollten wir ohnehin in die schöne Hauptstadt Palma rüberfahren, einen echten Anlass haben wir allerdings, als Sibylle aus der Hängemattenposition am Vorschiff ein defektes Unterwant entdeckt. Eine Kardele hat sich bereits herausgelöst. Für unglaublich günstige 35 Euro pro Tag reservieren wir einen Liegeplatz am STP-Shipyard, nur zehn Minuten von Altstadt und Kathedrale entfernt. Und gleich mehrere Rigger sind dort vor Ort. Also tuckern wir am 5. August die 16 Meilen hinüber in den Hafen von Palma ….

Ausgangsregeln – Tag 48

Nachdem seit Anfang dieser Woche Kinder bis 14 Jahre in Begleitung Erwachsener endlich wieder draußen spazieren gehen dürfen, hat man nun  – fast sieben Wochen nach Start des Ausnahmezustands – auch die Ausgangsregeln für alle anderen Altersgruppen festgelegt. Frische Luft und Bewegung gibt es jedoch zukünftig zunächst nach Alter getrennt.

In der freudigen Aufregung beim Studium der einschlägigen Nachrichtenportale am Vormittag denken wir zunächst, wir hätten bereits unseren ersten kostbaren Slot verpasst – aber die neue Regelung gilt erst ab 02. Mai. Also heißt es ab morgen: Wecker stellen. Denn Burkhard schläft schon gern mal länger, und Sibylle holt derzeit häufiger schlaflose Stunden aus der Nacht in der Früh nach. 

Auch das abendliche Zeitfenster ist nicht ohne Herausforderungen, so heißt es nun, nach dem Essen anstatt Fern zu sehen sich zum Spaziergang aufzuraffen, was sich jedoch hoffentlich positiv auf die in den vergangenen Wochen angefressenen Pfunde auswirken wird😉. Die neuen Ausgangsbestimmungen sind nur ein Teil der schrittweisen Rückkehr zu einer „neuen Normalität“ (Unwort des Jahres 2020?), die für Spanien in dieser Woche beschlossen wurden.

Die vier Phasen werden nach Provinzen (!) getrennt umgesetzt und dauern im günstigsten Fall jeweils 2 Wochen, beginnend mit Montag, 04. Mai. Bei einer Verschlechterung der Pandemiesituation in einer Provinz muss das betroffene Gebiet die Lockerungsphase verlängern oder gar zum Ausgangspunkt zurückkehren. Wohlgemerkt – es gibt insgesamt 50 Provinzen in Spanien als mittelgroße Verwaltungseinheiten unterhalb der 17 sogenannten „autonomen Gemeinschaften“ oder Regionen (diese wiederum sind entfernt vergleichbar unseren Bundesländern). Die Provinzen untergliedern sich ihrerseits in Gemeinden. In unserem Fall befinden wir uns in der Provinz Almeria, in der übergeordneten Region Andalusien, als Teil der Gemeinde El Ejido. Inländisches Reisen zwischen den Provinzen ist frühestens mit Abschluss von Phase 3 ab dem 22. Juni möglich, und das auch nur bei identischem Deeskalationsstatus der jeweiligen Provinzen. Ob wir dann auch wieder segeln können? Innerhalb der bisher veröffentlichten Regelungen sind auch Sportboote berücksichtigt, aber so richtig verstehen wir noch nicht, was das für uns bedeutet. Jedenfalls werden wir vorerst unseren Marinavertrag um weitere vier Wochen bis 09. Juni verlängern. 

​Aus budgetären Gründen können wir froh sein, Valencia frühzeitig verlassen zu haben. Denn in Almerimar sind die Liegeplätze deutlich günstiger, selbst wenn ab Juni mit Start der Hauptsaison auch hier die Preise um satte 130% steigen.

Bemerkung: Interessanterweise können wir feststellen, dass Almerimar – offenbar im Gegensatz zu vielen anderen Häfen -, immer mal wieder einzelne Boote aufnimmt. Erst kürzlich legte ein Katamaran aus Kroatien hier an – ohne Marinazugang und Zwischenstopp auf der gesamten Strecke. So wird Almerimar auch möglicherweise zur Option für Segler aus Westen, für Karibik-Rückkehrer.

In der vorbereitenden Phase 0 haben bereits am kommenden Montag Friseure, Optiker und Physiotherapeuten wieder geöffnet. Glücklich unsere Freunde Martina und Peter mit ihrer Segelyacht „Bummler“, die seit Wochen auf La Graciosa (Kanaren) ankern. Einige Inseln dürfen die Vorbereitungsphase überspringen und starten gleich mit Phase 1. Ab 11. Mai dürfen auch wir uns dann in Phase 1 auf eine eingeschränkte Öffnung der Außengastronomie freuen – und endlich können wir wohl auch wieder Freunde treffen! Die genauen Regeln für soziale Kontakte werden noch bekannt gegeben – wir sind gespannt. Vielleicht auch hier eine zeitliche Begrenzung nach Altersgruppen 😊??? Phase 2 und 3 sieht dann eine schrittweise Öffnung der Innengastronomie bis maximal 50% der Kapazität vor.

Für Mitte Mai haben wir probehalber einen Mietwagen optioniert, vielleicht kann man sich tatsächlich innerhalb der Provinz Almeria ein wenig bewegen, zumindest zum Einkauf. Ansonsten müssen wir das Gefährt halt wieder stornieren, so wie zuletzt am 15. März.

Inzwischen sind wir hier sehr fleißig und kreativ. Sibylle wüsste kaum, was sie ohne ihre wunderbare „Sailrite“ Nähmaschine anfangen sollte. Aus alten Segeln (Danke, Horst!) und Planenmaterial entstehen verschiedene Taschen.

Endlich gibt es auch Zeit für lang aufgeschobene Projekte wie die Abdeckung unserer Windfahnensteuerung, gefertigt aus Material, was uns unser Vorbesitzer überlassen hatte (Danke, Wolf!). Die Abdeckung ist in zwei Teilen zu verwenden, mit oder ohne aufgesteckte Windfahne. Als nächstes bekommt auch der Außenborder einen neuen Sonnenschutz. Noch in Valencia wurden die Fenster der Kuchenbude gewechselt und ein Rucksack gefertigt. 

Die „Sailrite“ ist nicht gerade ein Schnäppchen, aber langsam beginnt sich die Anschaffung zu amortisieren – nicht nur im materiellen Sinn. Burkhard verbringt Stunden im Motorraum, wechselt unter anderem den defekten Temperatursensor, der uns im Februar fast die Abfahrt aus Valencia verhagelt hätte. Der akustische Alarm, der eine Überhitzung des Motors signalisiert, löste wenige Minuten nach Start des Motors aus und war nur durch Deaktivierung abzustellen.

Und das Wetter – seit einigen Tagen fantastisch! Strahlendblauer Himmel, Sonne pur und eine leichte Brise aus Südost. Dazu eine äußerst vielversprechende Prognose auch für die nächsten 14 Tage. In Deutschland mochte das ja kaum jemand recht glauben, dass wir Grund hatten, uns in den vergangenen Wochen regelmäßig über das Wetter zu beschweren: doch der Vergleich der Tageshöchsttemperaturen und Niederschläge zwischen Köln und Almerimar ist wohl evident. Wir trainieren nun jeden Tag an Deck mit Theraband und „Twistfit“. Und auch die überfälligen Decksarbeiten können nun starten. Todo va a estar bien. So hoffen wir. Aber es braucht noch viel Vorsicht und Geduld …

Ausgangssperre Tag 31 – und kein Ende in Sicht

Vorläufig bis zum 26. April wurde die rigorose Ausgangssperre in Spanien in der vergangenen Woche verlängert, verbunden mit der klaren Ansage des Ministerpräsidenten, dass er im Anschluss für weitere 15 Tage Verlängerung bis zum 10. Mai plädieren werde. Laut einer der spanischen Regierung vorliegenden Analyse einer bekannten Consulting-Firma muss an dem herrschenden Ausnahmezustand jedoch noch mindestens bis Juni festgehalten werden, im schlimmsten Fall soll es Juli werden …..

Diese Aussichten tragen weiß Gott nicht zu unserer Erheiterung bei. Seit 31 Tagen nunmehr sind wir ohne vernünftige Bewegung. Wir dürfen nicht spazieren gehen, nicht joggen oder walken oder Rad fahren, nicht zum Schwimmen an den Strand – abgesehen davon, dass das Wasser hierfür noch ein bisschen kalt ist. Auf der Straße oder am Steg vor dem Anlegeplatz einige Lockerungsübungen absolvieren kann nur, wer in der glücklichen Lage ist, die Streifen-Fahrzeuge der Sicherheitsbehörden so rechtzeitig zu erspähen, um ungesehen schnell wieder an Bord hüpfen zu können. In solcher komfortablen Situation sind wir leider nicht, sobald die Ordnungshüter um die Ecke biegen, haben sie uns voll im Blick. Nicht ohne Neid sehen wir immer wieder, wie ein paar unserer deutschen Leidensgenossen am Pier gegenüber sich vor ihren Booten die Beine vertreten und auch ein Schwätzchen auf Distanz halten.

​Und kontrolliert wird immer noch akribisch, sogar die Einkaufstasche und der Kassenbon muss zuweilen vorgezeigt werden, um den Aufenthalt auf der Straße zu legitimieren. Offenbar gibt es jede Menge listige Menschen, die ihre Einkaufstüten nur zum Schein spazieren tragen. Aus Mallorca hört man sogar von einem angeblich geforderten Mindesteinkaufswert, wohl um zu vermeiden, dass jemand mehrmals täglich den erlaubten Gang zur Nahrungsmittelbeschaffung für unnötige Bewegung im öffentlichen Raum schamlos ausnutzt.

Von solcher Trickserei sind wir allerdings auch jetzt noch, nach Wochen der schuldlosen Inhaftierung an Bord, weit entfernt. Obwohl der Bewegungsmangel mittlerweile unerträglich wird und die Stimmung auf engstem Raum zuweilen gereizt, vermeiden wir weiterhin jeden unnötigen Gang unter Menschen. Noch immer ist Spanien das Land mit den weltweit höchsten Infektionszahlen pro Einwohner, meldet die absolut meisten Infizierten in Europa und belegt auch bei den durch Covid-19 indizierten Sterbefällen einen traurigen dritten Platz hinter USA und Italien. Krank werden möchte und darf man hier in dieser Situation nicht. 

Mehr als 28.000 Menschen, die hier im Gesundheitsdienst tätig sind, sind inzwischen selbst infiziert oder unter Infektionsverdacht isoliert. Die Bilder und Berichte, mit denen man täglich in den spanischen Medien konfrontiert wird, sind zutiefst traurig und verstörend. So wurde das Ifema-Messegelände in Madrid zu einem riesigen Lazarett umgebaut, der sogenannte Eis-Palast ebendort wird in Ermangelung von adäquaten Lagerungsmöglichkeiten als temporäre Leichenhalle genutzt. Auf der Eisfläche, wo sonst Familien und Kinder Schlittschuh laufen, stehen nun die Särge der Verstorbenen, in Reihen geordnet, nach Alphabet.

Freudig begrüßt wird inzwischen jede kleine Reparatur an Bord, über die man vorher in jedem Fall gemeckert hat. So darf Burkhard in diesen Tagen mal wieder unseren defekten Heißwasserstab tauschen, der sich sehr zu unserem Leidwesen bisher in jedem Winter, den wir im Hafen und damit am Landstrom verbringen, mit Kurzschluss verabschiedet hat.

Seit Beginn des Ausnahmezustands ist uns auch das Wetter leider nicht wirklich wohlgesonnen, so dass wir ausstehende Arbeiten außen am Schiff bisher nicht durchführen konnten. Vorrangig die Arbeiten am Teakdeck sind noch überfällig, auch müssen wir dringend im Masttopp die Ankerlaterne tauschen, sowie die Decksbeleuchtung erneuern.

Also weiter die Zähne zusammenbeißen und ausharren. Allabendlich um 20:00 Uhr zusammen mit den Anwohnern applaudieren für die tapferen Helfer im Gesundheitsdienst und in allen anderen Berufen, die die existenzielle Versorgung aufrechterhalten. Wie 95% aller Spanier nur mit Maske vor die Tür gehen, mit Einweghandschuhen einkaufen. Am Supermarkt geduldig anstehen und Abstand halten. Der tägliche Gang zum circa 100 Meter entfernten Müllcontainer ist für Burkhard inzwischen das erklärte Highlight des Tages, auch wenn er tatsächlich unterwegs keiner Menschenseele begegnet.

Während in Deutschland unsere Freunde am Ostersonntag auf der Terrasse und im Garten grillen, schalten wir die Heizung mal wieder an, wobei es draußen schon wieder kräftig regnet. Immerhin – ein paar Schokoladeneier haben wir in einer Ecke im Supermarkt dann doch noch entdeckt, und etwas Eierfarbe sowie ein über die Jahre wohlgehüteter Rest Ostergras haben dann auch ein wenig heimisches Ostern in unseren Salon gezaubert.

Endlich geben die Statistiken der letzten Tage Anlass zur Hoffnung, dass sich das Blatt für Spanien allmählich zum Besseren wendet. Wir hoffen, dass mit der schrittweisen Rückkehr zur Normalität, über die zumindest mal gesprochen wird, die rigorosen Maßnahmen differenziert und angepasst werden. 

Auch die Spanier – bei aller Vernunft und Betroffenheit – beschweren sich inzwischen zunehmend über den – wie einige formulieren – „brutalsten Hausarrest der Welt“.

Spanien Allgemeine Ausgangssperre – Tag 10

Viel Lob haben wir für unsere selbstgenähten Atemschutzmasken schon bekommen. Bisher haben wir lediglich für den Eigenbedarf gebastelt. Leider reichen die Bordbestände an Materialien nicht für eine Massenproduktion, insbesondere Gummi und Draht werden schnell zu einem Engpass führen, und kaufen kann man so was im Moment hier nicht. Vielleicht riskieren wir eine Bestellung, ist im Moment jedoch eher fraglich, ob und wann etwas geliefert wird. Oder wir probieren es ohne Nasenbügel und Gummizug. Die Originalanleitung sieht ohnehin Stoffbänder anstelle von Wäschegummi vor.

Bleibt gesund!