So ganz anders als die Inseln südlich von ihr präsentiert sich Martinique. Sehr französisch, sehr europäisch. Im Unterschied zu den britisch geprägten Inseln fährt man hier wie gewohnt auf der rechten Seite. Die Straßen sind gut asphaltiert, es gibt sogar mehrspurige Schnellstraßen, jedenfalls rund um die Hauptstadt Fort de France. So leihen wir uns mehrfach einen kleinen Mietwagen, um gemeinsam mit Sabine und Harald Teile der Insel zu erkunden.
Unser erster Ausflug geht an die südliche Ostküste, wo es besonders schöne Strände geben soll. Was für eine Enttäuschung! Bedrückt schauen wir auf die stinkenden Berge von Sargassum-Braunalgen an den zumeist menschenleeren Stränden. Hier kann und möchte niemand mehr zum Baden herkommen. Lediglich Surfer und Kiter lassen sich nicht abhalten – aufgrund der Windsituation ist die Ostküste mit ihren weiten flachen Stränden für die Ausübung des Sports natürlich besonders attraktiv. Wir müssen uns die Nase zuhalten, der faulige Gestank erregt Übelkeit. Was soll nur aus den vielen Appartments und Hotelanlagen werden, die man hier errichtet hat. Was aus den Fischern, die sich mit ihren kleinen bunten Booten den Weg zum Hafen durch Braunalgenteppiche erkämpfen müssen. Meerestiere werden in den dichten Teppichen gefangen und verenden kläglich. Die Naturkatastrophe scheint immer größere Ausmaße anzunehmen, und sogar auf der Westseite der Insel schwimmen inzwischen schon einzelne Sargassum-Ableger.
Die Folgen sind verheerend, so ist es nicht überraschend, dass das Elend auch im diesjährigen Karneval in Sainte Anne mit einem Mottowagen thematisiert wird: Sargassum regiert die Welt. Harald hat noch ein paar Links zum Thema recherchiert, die wir hier gern teilen, so dass sich jeder selbst ein umfassendes Bild von der Katastrophe machen kann. Seit 2011 gibt es die Plage hier in der Karibik – doch vor unserer Atlantiküberquerung haben wir nie etwas davon gesehen oder gehört.
https://newrepublic.com/article/150775/humans-created-new-natural-disaster
http://sargassummonitoring.com/
Beim kleinen Ort Le Francois beschließen wir die Ost-Küste zu verlassen und über eine als landschaftlich schön ausgewiesene Straße unseren Weg zurück Richtung Le Marin zu nehmen. Eine gute Entscheidung.
Das Landesinnere ist auch hier im Süden wunderbar hügelig grün mit viel Landwirtschaft und Obstplantagen. Wir stoppen bei einem kreolischen Garten. Für sechs Euro pro Person erklärt uns hier Monique in dritter Generation die Anlage ihres Großvaters. Sie kennt jeden Baum, jeden Strauch und jeden noch so kleinen Bodendecker. Circa 200 verschiedene Arten der Flora von Martinique sind hier vertreten. Wir staunen über Mangobäume, Vanilleblüten, Strelizien, Soursop, eine kleine Ananas, unzählige Heilkräuter und Blütenpracht.
Der Rückweg nach Le Marin führt uns über den lebhaften Badeort Sainte Luce. Eigentlich hätten wir hier gern etwas gegessen, aber wie so oft schließen die einladenden Strandbuden und -restaurants ab späten Nachmittag, und machen – wenn überhaupt – erst ab 19:00 Uhr wieder auf. Doch tatsächlich gibt es von Le Marin eine gute Busverbindung und so holen wir, was uns an diesem Tag entgangen ist, zu einem späteren Zeitpunkt mit der Crew von der Ariranha ausgiebig nach ….
Martinique ist das Einkaufsparadies schlechthin – hier in der Gegend gibt es nichts Vergleichbares. Die französischen Hypermarchés sind riesig und das Sortiment lässt keine Wünsche offen. So fahren fast alle Crews nach Martinique zum „Bunkern“, das heißt zur Bevorratung in großem Stil. Auch wir schlagen erstmal richtig zu und staunen über das reichhaltige Angebot. Bis auf eine Discounterkette ist jedoch alles recht hochpreisig. Die Marina in Le Marin ist die größte ihrer Art in der Karibik und bietet eine ausgezeichnete Infrastruktur mit Schiffsausrüstern, Werft, Waschsalon, Bäckerei, Restaurants und kleinen Läden. Unschlagbar ist der Angelshop AKWABA, auf 240 Quadratmetern locken Hunderte von bunten Ködern und sämtliches Fishingzubehör – die Versuchung ist groß, aber Sibylle begnügt sich mit dem Ersatz des kürzlich verlorenen Lieblingsköders und ein paar Haken.
Ab jetzt werden Sabine und Harald bei gemeinsamen Unternehmungen stets von der „Ariranha“ Crew abgeholt und wieder zurück an Bord gebracht – ein unglaublicher Service, den wir alle sehr genießen, denn zu viert ist es in unserem eigenen Dinghi doch recht eng und auch die Motorisierung etwas schwach.
In Sainte Anne „tobt“ überraschenderweise der Karneval – bis Karnevalsdienstag einschließlich gibt es fast jeden Tag einen kleinen Umzug, mit wechselnden Wagen und Tanzgruppen.
Nach ein paar Tagen der Eingewöhnung verlassen wir mit unseren Gästen die Marina und gehen vor Anker um die Ecke in Sainte Anne. Für Harald beginnt nun eine neue Herausforderung: das sichere Ufer kann ab jetzt nur noch mit dem Dinghi erreicht werden – und ob er sich dem schaukeligen Gummischlauch anvertrauen möchte, weiß er noch nicht so genau. Doch die „Ariranha“ hat ein großes Beiboot mit richtiger Sitzbank und dank Michaels fürsorglicher Probefahrt ist nun auch das Dinghifahren für Harald gar kein Problem.
Nach dem obligatorischen „Elf-Ührken“ streifen wir ausgiebig durch die Souvenirläden, vertrödeln die Tage am langen Sand-Strand und genießen abends die Sundowner – mal an Bord der „Ithaka“, mal zu Gast bei „Ariranha“. Burkhard und Michael gönnen sich einen Besuch bei der ortsansässigen Osteopathin, die den beiden – zumindest vorübergehend – zu aufrechtem Gang verhilft.
*) Bedeutung: Bier um 11:00 Uhr. Sollte die Uhrzeit mal nicht passen, so wird sie passend gemacht: „irgendwo auf der Welt ist es jetzt auf jeden Fall 11:00 Uhr“ © Michael R.😉
Doch leider gibt es auch ernste Themen. Zu unser aller Entsetzen wurden auf der anderen „Ithaka“ die beiden Außenbordmotoren am video-überwachten Werftsteg gestohlen, während Angela und Christof in Deutschland ohnehin gerade sehr schwere Zeiten durchmachen. Sie bitten uns, an Bord nach dem Rechten zu sehen – Gott sei Dank scheint sich der Übergriff auf die beiden Motoren beschränkt zu haben.
Wir vereinbaren einen Krantermin in der Carenantilles Werft, denn wir brauchen dringend einen neuen Antifouling Anstrich.
Außerdem überlegen wir immer wieder, was wir während der Hurrikan-Saison machen sollen. Der Weg nach Süden birgt Gefahren vor allem wegen möglicher Piraterie im Umkreis der Küste von Venezuela. Der Rückweg nach Norden in die Karibik, zum Beispiel von Kolumbien aus, ist beschwerlich und für die Fahrt unter Segeln gibt es nur wenige günstige Wetterfenster. Inzwischen hat der Wind hier im Revier spürbar nachgelassen und immer häufiger wird Sibylle von Mücken fast aufgefressen – keine schöne Perspektive für die heißen Sommermonate, die uns hier erwarten.
Nach einer Woche lichten wir den Anker und segeln am Diamond Rock vorbei hoch in die wunderschöne Bucht Grande Anse D`Arlet. Im Gegensatz zu Sainte Anne, wo außer uns noch mindestens 200 weitere Segelboote lagen, geht es hier deutlich beschaulicher zu. Die Tage verrinnen und bald heißt es Abschied nehmen für Sabine und Harald.
Wir reservieren kurzfristig einen Platz in der Marina Etang Z`abricot, in der Nähe des Flughafens in Fort de France. Von hier aus wollen wir die letzten beiden Tage nochmals Ausflüge mit dem Mietwagen machen. Daraus wird zunächst nichts, denn mal wieder gibt unsere fast neue Kühlschrankpumpe den Geist auf. Seewasser tritt in der Mitte der Pumpe aus und sie hat die Arbeit eingestellt – nach nicht einmal drei Monaten Laufzeit. Garantie gibt es natürlich nur dort, wo wir sie gekauft haben, aber nach St. Lucia wollen wir deswegen jetzt nicht unbedingt segeln. Wir setzen uns in den Mietwagen und fahren zum nächstgelegenen Chandler in Fort de France, hier beschränkt sich das Angebot jedoch auf Lacke und Batterien. Also auf nach Le Marin.
Wir bedauern, dass Sabine und Harald an Bord bleiben wollten, denn dieser Inselausflug nimmt fast einen halben Tag in Anspruch. Tatsächlich finden wir eine passende Pumpe in Le Marin und sind schneller zurück als gedacht. Routiniert und in Windeseile wird die neue Pumpe eingebaut und so können wir wenigstens den Nachmittag noch für die Besichtigung von St. Pierre nutzen.
St. Pierre liegt 31 Kilometer nördlich der Inselhauptstadt Fort-de-France. Die ehemals blühende und wohlhabende Ansiedlung war über mehrere Jahrhunderte Hauptstadt und darüber hinaus Kolonisationskeim der ganzen Insel. Sie wurde 1902 durch eine Eruption des sieben Kilometer nordöstlich aufragenden Vulkans Montagne Pelée zerstört und hat sich nach dem Wiederaufbau zu einem beliebten touristischen Reiseziel entwickelt (Wikipedia).
Am Abreisetag schließlich besuchen wir noch gemeinsam den Jardin de Balata, den berühmten botanischen Garten von Martinique.
Der Garten liegt hoch oben an einem Berg und ist wunderschön angelegt. Die verschiedenen Gewächse sind nach Familien gruppiert: Bromelien, Palmen, Bambusgewächse. Dazwischen gibt es Teiche mit Seerosen und Fischen. Für den Weg über eine Hängebrücke, die durch die Baumwipfel oberhalb führt, müssten wir leider mehr als eine Stunde anstehen, so verzichten wir auf das Erlebnis.
Zurück an Bord gibt es noch einen Überraschungsbesuch von der Ariranha Crew, bevor wir Sabine und Harald an den Flughafen bringen. So schnell verging die Zeit und die beiden müssen zurück ins kalte Deutschland.
Den darauffolgenden Tag verbringen wir mit Auf- und Umräumen, Waschen und einem lange überfälligen Friseurbesuch für Sibylle. Dann brechen wir auf zurück Richtung Le Marin, denn am 19. Februar ist dort unser Krantermin. Beim Ausfahren aus dem Liegeplatz bemerkt Burkhard, dass – mal wieder – die Lenkung nicht funktioniert. Blitzschnell entscheidet er, vorwärts zurück in die Box zu fahren. Bei starkem Seitenwind ausschließlich mit Hilfe des Bugstrahlruders wieder anzulegen, ist kein leichtes Unterfangen, aber es gelingt. Ein Marinero lässt sich trotz aufgeregtem Funken nicht blicken, aber Gott sei Dank gibt uns ein benachbarter Skipper die Mooringleine an und vertäut die Festmacher. Ein Blick in die Steuersäule und unter die Achterkojen zeigt: wieder einmal ist die Kette aus der Führung und die Steuerseile vom Quadranten abgesprungen. Dabei hatten wir doch drei Tage zuvor noch ganz normal hier angelegt. Wie das passieren kann, ist uns bis heute ein Rätsel. Wir werden künftig die Position der Steuerseile regelmäßig kontrollieren müssen. Als wir mit der Reparatur fertig sind, ist es bereits Mittag und wir laufen als Zwischenstopp die Grande Anse D`Arlet an, um nicht im Dunkeln in Le Marin ankommen zu müssen.
Auch der Morgen des Krantermins verläuft nicht ganz reibungslos. Mit ausreichend zeitlichem Vorlauf geben wir früh in der Bucht von Le Marin den Anker auf, um rechtzeitig in der Werft Carenantilles einzulaufen. Dabei fangen wir uns eine alte Kette ein, die dort am Boden liegt. Die Kette ist so ungeschickt um unseren Anker gewickelt, dass wir aus eigener Kraft nicht freikommen. Gott sei Dank ist die „Ariranha“ nebenan und Michael kommt schnell mit dem Dinghi angebraust, um uns zu helfen.
Die Hilfskraft im Werft Office ist unsere nächste Herausforderung (Krantermin unbekannt …), doch das Auskranen klappt prima. Der Kranführer ist routiniert und versteht seinen Job. Wir haben den Hochdruckreiniger bestellt und nach einer guten Stunde ist das Unterwasserschiff vom tropischen Urwald befreit, der sich dort festgesetzt hatte. Es gibt aber noch jede Menge Muschelreste, die einzeln abgeschliffen werden müssen.
Drei Tage haben wir für die Arbeiten am Unterwasserschiff veranschlagt – ein sportliches Timing, aber wir kommen hin. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der regelmäßigen Pausen und Motivations-Bierchen gemeinsam mit „Ariranha“, die neben uns an Land steht. Zu viert macht die Arbeit doch einfach deutlich mehr Spaß, man schleift und streicht um die Wette und freut sich über den Fortschritt.
So bleibt am Schluß noch ausreichend Zeit, um nicht nur den Schiffen sondern auch den Skippern ein frisches Styling zu verpassen 😉. Dummerweise passiert beim Einkranen von „Ariranha“ ein kleines Malheur, so dass an einigen Stellen nochmal nachgearbeitet werden und der Launchtermin auf nächsten Tag verschoben werden muss.
Zwischendurch treffen wir François von der franzöischen Organisation „Atlantic Back Crusing (ABC)“ http://atlanticbackcruising.com/en/ und fällen endlich eine Entscheidung: am 12. Mai werden wir mit einer kleinen Flotte von Guadeloupe über die Azoren nach Europa zurücksegeln und unseren Traumtörn im Mittelmeer fortsetzen.
Wir freuen uns sehr aufs Mittelmeer, das im Vergleich zur Karibik doch deutlich mehr Abwechslung bietet – trotz aller unübersehbaren Reize, die wir in diesem exotischen Revier kennengelernt haben. Doch traurig verabschieden wir uns von Christof und der anderen „ITHAKA“, aus der gemeinsamen Weiterreise wird nun vorläufig nichts werden.
Sollte uns in absehbarer Zeit das Fernweh wieder packen, dann müssen wir halt die Runde über den großen Teich erneut in Angriff nehmen – ausschließen würden wir das heute jedenfalls nicht.