Gemeinsam mit der ARTE starten wir früh am 23.09. vom sardischen Capo Carbonara gen Sizilien. Die türkisblaue Bucht unmittelbar östlich von Villasimius ist ein echtes Juwel – und wie meistens, hätten wir hier gern ein wenig verweilt. Doch uns sitzt ein kräftiger Mistral im Nacken, da möchten wir doch gern mit respektablem Abstand in Ruhe und sicher übersetzen. Sibylle nutzt die Gunst der Stunde am späten Nachmittag noch für eine Paddelrunde. An Bord der ARTE gibt es ein leckeres Weinchen und für den zurückgebliebenen Skipper werden sogar noch 2 Dosen Bier eingepackt.
Die Überfahrt verläuft gemütlich und relativ unspektakulär. Zunächst ein paar Stunden unter Motor, doch dann kommen wir mit achterlichen Winden ganz gut voran, mal mit und mal ohne Großsegel (die gesamte Route auf Navionics, hier klicken). Die ARTE ist leichter und fährt mit bis zu 3,5 Seemeilen Abstand voraus. Doch auch in der fast mondlosen Nacht ist sie gut am Horizont und auf dem Radar zu erkennen. Das nächtliche Wetterleuchten an Backbord und später auch über Steuerbord ist eingeplant – dennoch hoffen wir natürlich, dass die Vorhersage korrekt ist und wir quasi in einem gewitterfreien Korridor zwischen zwei Unwetterfronten vor dem italienischen Festland und der afrikanischen Küste hindurchsegeln können. Siehe Grafik (estofex.org), unsere Route ist in blau eingezeichnet, unterhalb der dicken gelben Gewitterlinie.
Bei der Ansteuerung von Trapani gegen Mittag des Folgetages frischt der Wind auf, trifft uns jetzt fast von vorn. Wir reffen wenige Meilen vor dem Hafen schließlich noch das Vorsegel. Die ARTE mit Kurs weiter nördlich muss nun gegen den Wind motoren. Wir sind froh, als wir den Hafen erreichen. Eigentlich muss zur Einfahrt Erlaubnis erteilt werden, doch die Port Police reagiert nicht auf unsere diversen Ansprachen über Funk. Nun denn. Also los Richtung Anleger – Columbia Yachting. Die ARTE prescht vor, semmelt beinahe in eine markierte Untiefe.
Auch das Anlegemanöver ist bei dem vorherrschenden Seitenwind eher problematisch. Die ARTE knirscht einmal seitwärts an den Steg. Wir brauchen 3 Anläufe bis endlich das rückwärts anfahren gegen den Wind und rechtwinklig abbiegen zum Steg einigermaßen gelingt. Puh. Irgendwie ist man doch aus der Übung nach so vielen Tagen vor Anker.
Endlich liegen wir gut fest. Da kann der Mistral jetzt kommen. Was wir jedoch nicht auf dem Radar haben: der bekannte Starkwind kommt hier nicht nur aus üblichen Nordwestlichen Richtungen, sondern dreht in diesem Falle innerhalb von 48 Stunden zwischen SW und NW. Und nach Süden sind wir an diesem Marina Steg völlig ungeschützt, da der Hafen von Trapani nach Süden offen ist und eine lange Fetsch uns direkt auf den Steg drückt (siehe hier, Wind von Süd). Überhaupt nicht witzig.
Die Grafiken unten zeigen die Entwicklung der Mistral Situation zwischen Sardinien und Sizilien vom 23.-28.09.2020. (Zum Vergrößern einfach auf die Bilder klicken!) In der Bildmitte Sardinien mit unserem Startpunkt im Süden der Insel. Am unteren rechten Bildrand unser Ziel: die Nordwestecke Siziliens mit Trapani an der Westküste.
Wind-Vorhersagen: Windy.com.
Die ARTE bekommt leihweise unsere Gummi-Ruckdämpfer verpasst, während wir uns wie im Winterlager mit Metallfedern am Steg anketten. Wir sind heilfroh, dass sich das Ganze tagsüber abspielt. So können wir rechtzeitig reagieren, als einer unserer Festmacher sich an der Nachbarleine beginnt aufzureiben. Mit einem beherzten Schritt über die hüpfende Planke auf den mächtig schwankenden Schwimmsteg kann Sibylle das Problem beseitigen, allerdings ist sie komplett durchnässt bei der Rückkehr an Bord.
Am Nachmittag dreht der Wind auf West-Nord-West und der Spuk ist vorbei, auch wenn der seitlich einfallende Wind deutlich stärker bläst – im Vergleich zu der Schaukelei vorher eher eine Wohltat. Und pünktlich stellt sich auch das vorhergesagte Gewitter ein – wenigstens die Wettervorhersage ist zuverlässig.
Die Stadt Trapani präsentiert sich mit schönen alten Gebäuden und morbidem Charme. Leider ist das Straßenbild außerhalb der zentralen Altsstadtzonen recht verwahrlost und ungepflegt. Müll sammelt sich in sämtlichen Winkeln, vom Wind angeweht und vom Menschen aufgestapelt. Daran werden wir uns auf Sizilien wohl gewöhnen müssen, wie wir später immer wieder feststellen. Trotz allem grandios, monumental, herzergreifend.
Der Hafen von Trapani ist der größte an der sizilianischen Westküste. Von hier gibt es Fährverbindungen zum Festland, nach Sardinien, Tunesien und Frankreich. Und auch zu den ägadischen Inseln, die wir als nächstes besuchen wollen. Die Fähre „Sibilla“ (!) wird uns dort mehrfach wiederbegegnen.
In der Kirche gegenüber der Bar unserer Wahl wird gerade eine Hochzeit vorbereitet. Opulente Blumenarrangements im Aufgang zum Portal und im Innern der Kirche. Bereits mehr als eine Stunde vor Beginn treffen die ersten Gäste ein. Operndivas, Mafiosi – festlich gekleidet sind sie alle. Wir staunen über die Männermode. Sehr kurze, (viel zu) eng geschnittene Hosen, in denen Mann sich nicht einmal bücken kann, um das gelöste Schuhband zu binden. Sibylle macht den Bräutigam auf die Misere aufmerksam, er läuft zur Kirchentreppe, wo ihm eine Verwandte die Schuhe zubinden muss. Socken sind übrigens out in Verbindung mit den kurzen Hosenbeinen. Auch Mann trägt allenfalls ein Paar Footies. Da sieht man, was wir für Banausen geworden sind: in den letzten vier Jahren haben wir halt kaum ein ordentliches Bekleidungsgeschäft betreten, da hat sich wohl einiges verändert. Einen Blick auf die Braut erhaschen wir leider nur von hinten, da hätte man das Ende der Zeremonie abwarten müssen, aber wir wollen ja noch unsere Lebensmittel-Einkäufe erledigen.
Auch die Fischereiflotte ist riesig. Viele der bunten Boote sehen allerdings so aus, als seien sie schon länger nicht mehr bewegt worden. Auf dem Fischmarkt erstehen wir kurz vor Geschäftsschluss ein Pfund Gamberi Rossi, die wir geschält gleich roh genießen – ein Gedicht!
Abgesehen von der ungeschützten Lage bei südlichen Winden ist der Steg von Columbia Ýachting durchaus empfehlenswert. Das gilt nicht für die Sanitäranlagen, allerdings wird man in italienischen Häfen im Allgemeinen ohnehin eher die Borddusche vorziehen.
Aber die Anlage wird sehr gut bewacht, die Betreiber sind unglaublich freundlich und die Marineros aufmerksam und hilfsbereit. Und unsere Marina verfügt über eine wunderbare kleine Bar, die wir in der Abendsonne sehr genießen.
Ach ja – und bevor wir das Wichtigste vergessen: genau 1 Tag nach Ankunft auf Sizilien und damit 11 Tage nach dem COVID-Test in Calasetta teilt man uns nun endlich mit, dass wir „negativo“ getestet wurden. Immerhin, auch wenn das Ergebnis zu diesem Zeitpunkt nur noch historischen Wert hat. Was da eigentlich getestet wurde, kann man der Bescheinigung nur bedingt entnehmen. Es wird halt vorausgesetzt, dass jeder Mensch weiß, dass mit „Tampone“ der COVID19 Nasenabstrich gemeint ist ……