Auf dem Suchbild oben lässt sich unschwer erkennen, dass unser „kurzer Abstecher“ nach Palma sich leider zu einer Reparatur ungeahnten Ausmaßes ausgewachsen hat.
Erst vor vier Jahren haben wir im Hinblick auf unsere geplante Atlantiküberquerung in Marmaris (Türkei) die Stagen*, Wanten* und Mast-Verbindungen unseres Riggs erneuern lassen. Und die Arbeiten wurden dort nicht von irgendeiner Hinterhof-Werkstatt, sondern von einem Seldén**-Vertragspartner ausgeführt. Mit dem Erfolg, dass nun der Rigger hier in Palma zu unserem Entsetzen feststellt, das Rigg sähe aus wie nach zwanzig Jahren, nicht wie nach vier …. Ein eingehender Check zeigt, neben dem von uns kürzlich entdeckten Defekt ist eine weitere Want in Auflösung begriffen und mehrere Mastverbindungen (auch Terminals oder Fittings genannt) weisen Haarrisse auf, die über kurz oder lang zum Bruch der stählernen Verbindungsstücke führen.
Mögliche Erklärungen: elektrische Ströme haben zu frühzeitiger Korrosion des Riggs geführt, oder aber die mit der Marke „Bluewave“ gebrandeten Terminals sind billige Plagiate, die Drahtseile China-Schrott. Wie auch immer, es hilft nichts, das Rigg muss runter, alle Drähte und Verbindungen neu. Das müssen wir erstmal verdauen.
Auf Empfehlung des Riggers wird erstmal ein Elektriker bestellt, der alles durchmisst. Es gibt keine Ströme, die eine solche Korrosion verursacht haben können. Also fragen wir bei der Versicherung um Rechtsschutzbeistand an, sollte sich bewahrheiten, dass minderwertiges Material verwendet wurde. Eine Antwort erwarten wir in der kommenden Woche.
Zu unserem Trost eilt die GLEC herbei. Sie hatten Pech mit ihrem Wassermacher, wo im laufenden Betrieb ein Schlauch geplatzt und die Bilgen mit Salzwasser gefüllt hat. Auch nicht schön. Wir verbringen zwei Abende gemeinsam, doch dann sind sie auch schon wieder weg. Wehmütig stellen wir fest, nun sind wir wieder die einzigen mit solch einem winzigen Schiff in diesem Shipyard, wo zu Wasser und an Land fast ausschließlich Super- und Megayachten liegen, ab sechzig Fuß aufwärts. Unglaublich, wie verloren und klein unser Bötchen wirkt inmitten der riesigen Masten. Und auch die Kaimauer ist eigentlich viel zu hoch für unsere Schiffsgröße, die Festmacher-Poller völlig überdimensioniert.
Dennoch fühlen wir uns nicht unwohl hier. Alles ist super durchorganisiert, die Handwerker pünktlich und zuverlässig, die Marineros entspannt und freundlich. Seit einigen Jahren gibt es sogar eine Agentur vor Ort, die sich um Sicherheit und Qualitätsabläufe der Großprojekte hier in der Werft kümmert.
Und so hat Burkhard montags früh tatsächlich das erste offizielle „Meeting“, seit er seinen Büro-Job an den Nagel gehängt hat. Die Dame der Agentur AdSum ist bestimmt, aber hält die Besprechung kurz: schließlich sind wir ja nur ein kleines Schiff, nur zwei Firmen sind beauftragt, Rigger und Elektriker (die haben übrigens bei dem Meeting ebenfalls Anwesenheitspflicht) und Burkhard vereint alles in einer einzigen Person: Captain, Skipper, Projekt-Koordinator … 😊. So bleibt uns Gott sei Dank auch das Ausfüllen endloser Listen mit Schiffs- und Lieferanten-Details erspart.
Es ist bewölkt und regnet, als die Rigger kurz nach Sonnenaufgang kommen, um das Rigg zu demontieren. Bereits am Nachmittag zuvor haben wir uns in einen der Krankänale verlegt, um das Kranen von Mast und Baum zu ermöglichen. Dabei haben wir auch noch Glück: in dem Moment, wo der Mast eben auf den Rollstützen aufliegt, auf denen er später zu seinem Lagerplatz am anderen Ende der Werft geschoben wird, beginnt es zu stürmen – mit Mast im Kran wahrlich kein Spaß.
Nun sind wir seit vier Tagen „oben ohne“ – auf jeden Fall fühlt man sich ziemlich nackig ohne Rigg. Bis zu zwei Wochen müssen wir noch einplanen, bis alle Teile gecheckt, gesäubert, überholt und erneuert sind. Mit Dimitriy unserem Rigger haben wir besprochen, dass wir so viel wie möglich selbst beitragen werden, zumindest bei Säuberungs- und Polierarbeiten, um die Rechnung nicht unnötig aufzublähen. Aber mit 10 großen Scheinen sind wir Minimum dabei … ☹
*) Stagen nennt man die Drahtseile, die den Mast nach vorn und hinten fixieren, die Wanten fixieren den Mast seitlich, der bei unserem Schiff lediglich auf dem Deck aufgestellt ist.
**) Seldén ist ein renommierter Hersteller von Masten, Bäumen und vielerlei anderer Hardware für Segelboote.