Monthly Archives: August 2020

Finde den Fehler!

Auf dem Suchbild oben lässt sich unschwer erkennen, dass unser „kurzer Abstecher“ nach Palma sich leider zu einer Reparatur ungeahnten Ausmaßes ausgewachsen hat.

Erst vor vier Jahren haben wir im Hinblick auf unsere geplante Atlantiküberquerung in Marmaris (Türkei) die Stagen*, Wanten* und Mast-Verbindungen unseres Riggs erneuern lassen. Und die Arbeiten wurden dort nicht von irgendeiner Hinterhof-Werkstatt, sondern von einem Seldén**-Vertragspartner ausgeführt. Mit dem Erfolg, dass nun der Rigger hier in Palma zu unserem Entsetzen feststellt, das Rigg sähe aus wie nach zwanzig Jahren, nicht wie nach vier …. Ein eingehender Check zeigt, neben dem von uns kürzlich entdeckten Defekt ist eine weitere Want in Auflösung begriffen und mehrere Mastverbindungen (auch Terminals oder Fittings genannt) weisen Haarrisse auf, die über kurz oder lang zum Bruch der stählernen Verbindungsstücke führen.

Mögliche Erklärungen: elektrische Ströme haben zu frühzeitiger Korrosion des Riggs geführt, oder aber die mit der Marke „Bluewave“ gebrandeten Terminals sind billige Plagiate, die Drahtseile China-Schrott. Wie auch immer, es hilft nichts, das Rigg muss runter, alle Drähte und Verbindungen neu. Das müssen wir erstmal verdauen.

Auf Empfehlung des Riggers wird erstmal ein Elektriker bestellt, der alles durchmisst. Es gibt keine Ströme, die eine solche Korrosion verursacht haben können. Also fragen wir bei der Versicherung um Rechtsschutzbeistand an, sollte sich bewahrheiten, dass minderwertiges Material verwendet wurde. Eine Antwort erwarten wir in der kommenden Woche.

Zu unserem Trost eilt die GLEC herbei. Sie hatten Pech mit ihrem Wassermacher, wo im laufenden Betrieb ein Schlauch geplatzt und die Bilgen mit Salzwasser gefüllt hat. Auch nicht schön. Wir verbringen zwei Abende gemeinsam, doch dann sind sie auch schon wieder weg. Wehmütig stellen wir fest, nun sind wir wieder die einzigen mit solch einem winzigen Schiff in diesem Shipyard, wo zu Wasser und an Land fast ausschließlich Super- und Megayachten liegen, ab sechzig Fuß aufwärts. Unglaublich, wie verloren und klein unser Bötchen wirkt inmitten der riesigen Masten. Und auch die Kaimauer ist eigentlich viel zu hoch für unsere Schiffsgröße, die Festmacher-Poller völlig überdimensioniert.

Dennoch fühlen wir uns nicht unwohl hier. Alles ist super durchorganisiert, die Handwerker pünktlich und zuverlässig, die Marineros entspannt und freundlich. Seit einigen Jahren gibt es sogar eine Agentur vor Ort, die sich um Sicherheit und Qualitätsabläufe der Großprojekte hier in der Werft kümmert.

Und so hat Burkhard montags früh tatsächlich das erste offizielle „Meeting“, seit er seinen Büro-Job an den Nagel gehängt hat. Die Dame der Agentur AdSum ist bestimmt, aber hält die Besprechung kurz: schließlich sind wir ja nur ein kleines Schiff, nur zwei Firmen sind beauftragt, Rigger und Elektriker (die haben übrigens bei dem Meeting ebenfalls Anwesenheitspflicht) und Burkhard vereint alles in einer einzigen Person: Captain, Skipper, Projekt-Koordinator … 😊. So bleibt uns Gott sei Dank auch das Ausfüllen endloser Listen mit Schiffs- und Lieferanten-Details erspart.

Es ist bewölkt und regnet, als die Rigger kurz nach Sonnenaufgang kommen, um das Rigg zu demontieren. Bereits am Nachmittag zuvor haben wir uns in einen der Krankänale verlegt, um das Kranen von Mast und Baum zu ermöglichen. Dabei haben wir auch noch Glück: in dem Moment, wo der Mast eben auf den Rollstützen aufliegt, auf denen er später zu seinem Lagerplatz am anderen Ende der Werft geschoben wird, beginnt es zu stürmen – mit Mast im Kran wahrlich kein Spaß.

Nun sind wir seit vier Tagen „oben ohne“ – auf jeden Fall fühlt man sich ziemlich nackig ohne Rigg. Bis zu zwei Wochen müssen wir noch einplanen, bis alle Teile gecheckt, gesäubert, überholt und erneuert sind. Mit Dimitriy unserem Rigger haben wir besprochen, dass wir so viel wie möglich selbst beitragen werden, zumindest bei Säuberungs- und Polierarbeiten, um die Rechnung nicht unnötig aufzublähen. Aber mit 10 großen Scheinen sind wir Minimum dabei … ☹

 

*) Stagen nennt man die Drahtseile, die den Mast nach vorn und hinten fixieren, die Wanten fixieren den Mast seitlich, der bei unserem Schiff lediglich auf dem Deck aufgestellt ist.

**) Seldén ist ein renommierter Hersteller von Masten, Bäumen und vielerlei anderer Hardware für Segelboote.

Endlich wieder unterwegs

Mit Aussicht auf das Ende des Lockdowns am 22. Juni macht sich unter den Seglern in Almerimar emsige Geschäftigkeit breit. Die Schockstarre des Hausarrests noch in den Knochen, fängt man nun auf den Schiffen an zu werkeln, was das Zeug hält. Sämtliche aufgeschobenen Projekte werden in Windeseile in Angriff genommen, denn jeder möchte reisefertig sein, wenn es denn endlich wieder möglich ist. Die Crew von der GLEC ist oft tagelang abgetaucht in der Installation von Windgenerator, Wassermacher, Windfahnensteuerung und anderer `Kleinigkeiten`. Und dort wie auch auf der ARTE entwickelt sich das Thema „Bruno“ zum Dauerbrenner. Bruno, der hiesige Mann für Canvas-Arbeiten, hat es in den vergangenen 7 Monaten bisher nicht geschafft, die lange beauftragten Gewerke anzufertigen. Immer wieder wird neu vermessen und angepasst, dazwischen ist der Mann oft mehrere Tage einfach nicht erreichbar.

Da sind wir doch froh, dass wir uns diesmal dank Sibylles Nähkünsten nicht auch noch in die Reihe der ewig Wartenden anstellen müssen. Bereits im Januar hat sie in der Werkstatt von Planenmacher.de in Voerde unter Aufsicht von Jolanthe und Michael unser Bimini neu nach Muster genäht. Zunächst widerwillig lassen wir uns überreden, statt edlem Tuch nun edlen Kunststoff (Stamoid) zu wählen. Aber tatsächlich sieht man den Unterschied kaum, und die Vorteile liegen klar auf der Hand: undurchlässig gegen Regen, sehr strapazierfähig und einfach zu reinigen. Ein Nachteil: nächtliche Feuchtigkeit schlägt sich auch auf der Unterseite des Sonnenschutzes nieder und tropft morgens beim Aussteigen in den Nacken. Nun denn, man kann halt nicht alles haben. Dafür konnten wir nun sehr einfach einen D-Ring zur Befestigung für unsere Fatboy-Bolleke Hängelampe ankleben.

Über mangelnde Arbeit können wir uns dennoch nicht beklagen. Wir erneuern die fälligen Teakpfropfen am Deck und streichen das unansehnlich gewordene Holz mit Boracol ein – mit sehr gutem Erfolg wie sich inzwischen zeigt. Außerdem tauschen wir die Dreifarbenlaterne im Masttopp inklusive des dazugehörigen Kabels.

Wie sich bei der Demontage herausstellt, hätten wir die neue Laterne wohl gar nicht benötigt, denn der eigentliche Übeltäter ist das korrodierte Kabel. Also nehmen wir die alte Laterne auf die Liste unserer Ersatzteile. Bei Decks- und Dampferlicht werden die Leuchtmittel getauscht. Außerdem ziehen wir eine neue Dirk sowie eine neue Rein-/Rausholleine für das Großsegel ein. Wir sind mächtig stolz, was wir inzwischen alles selbst zuwege bringen – noch vor ein paar Jahren hätten wir hierfür Handwerker beauftragen und … warten müssen.

Zwischendurch trifft man sich zum Austausch mit ARTE und GLEC auf einer Terrasse der inzwischen wiedereröffneten Bars und Restaurants. Es ist so traurig, dass unsere lieben Holländer Jos und Hans, die Crew von der „Rasant“ nicht mehr mit dabei sind. Wegen Rückenproblemen bei Hans sind die beiden leider Mitte Mai nach Holland abgereist. Wir vermissen sie sehr.

Unsere TO-Stützpunktleiterin und Chefin des „Lava-Centro“ Alex organisiert eine kleine Abschiedsrunde für die deutschen Schiffe im „Stumble Inn“.

Sibylle hat an diesem Tag heftige Schmerzen im Kiefer – Zahn oder Zahnfleisch ist die Frage. Mit Ibuprofen bekämpft sie den Schmerz erfolgreich übers Wochenende. Am Montag nach Besuch der Zahnklinik dann kullern die Tränen vor Enttäuschung. Eine Wurzelbehandlung ist erforderlich, und die Behandlung wird erst nach einer Antibiotikatherapie Anfang Juli erfolgen können. Das war es also vorerst mit unserer Abreise.

Die ARTE prescht vor und legt schließlich als erste ab. Windtechnisch ist der Tag nicht eben günstig gewählt – und dann fällt auch noch der Motor aus. Mit kleiner Drehzahl machen sich Patricia und Gerhard auf den Rückweg, der Motor verläßt sie, als sie gerade so eben den Warte-Kai von Almerimar erreicht haben. Die Beiden sind fix und fertig. Am nächsten Tag werden sie ins Hafenbecken geschleppt und „Schrauber-Frank“ macht sich sofort an die Arbeit. Leider eine größere Sache, Ersatzteile müssen aus Schweden bestellt werden.

Schnell geben wir noch unsere Rettungsinsel zur Wartung – wir hatten völlig vergessen, dass in diesem Frühjahr der dreijährliche Service fällig ist. Hätte man ja sonst längst mal machen lassen können. Gott sei Dank arbeitet der autorisierte Viking-Servicepunkt sehr schnell und bringt die Liferaft pünktlich vor unserem geplanten Abreisedatum zurück.

Am 2. Juli ist es dann endlich soweit: nach vielen ungeplanten Tagen in Almerimar, davon 99 Tage im Corona-Lockdown, sind wir endlich wieder unterwegs. Doch auch uns lässt der Ort so schnell nicht los: nach einer Stunde Fahrt schlägt der Motor Alarm: Temperatur. Das kennen wir ja nun schon von zwei Vorfällen im vergangenen Frühjahr, das Thermometer zeigt 88°C. Wir lassen den Motor ein bisschen abkühlen und fahren dann mit erhöhter Drehzahl unverdrossen weiter. Nach weiteren vier Stunden, wir sind kurz vor Cabo de Gata, meldet sich der Alarm erneut. Außerdem Öldruckalarm. Mit dem Infrarotthermometer messen wir 105° C auf dem Wärmetauscher. Nix gut. Telefonat mit Frank, dem Mechaniker, er will sich am Wochenende Zeit für uns nehmen, sobald er die ARTE verarztet hat. Nun denn, wir kehren um. Gegen Wind und Welle – den Wind hatten wir eigentlich vormittags erwartet, er hätte uns zum Cabo pusten sollen, nun kämpfen wir gegen an. Übrigens ohne weitere Alarmmeldungen der Maschine.

Frank kommt am Samstag, die Vermutung ist schließlich, das Thermostat, das die Wasserzufuhr zum inneren Kühlkreislauf regelt, sei kaputt. Das Teil wird bestellt aus Barcelona, sollte schnell kommen. Leider widmet er sich einer genauen Untersuchung des Wärmetauschers erst am folgenden Dienstag, so dass wir wertvolle Zeit verlieren, denn tatsächlich scheint die eigentliche Ursache für die Überhitzung bedingt durch lose Gummiteile im inneren Kühlkreislauf, die offenbar immer mal wieder den Durchfluss verstopfen. 

Eine Gummimanschette hat sich aufgelöst, auf der der Wärmetauscher lagert. Vorsichtig werden mit einer sehr langen Pinzette aus dem Küchenutensilienbestand so viele der Gummibrösel wie möglich herausgefischt. Die Manschette muss neu, ebenso zwei Hauben, und alles muss bei Volvo in Schweden bestellt werden. Erst am 13. Juli treffen die Teile ein und während Frank unten arbeitet, wird Almerimar in Nebel gehüllt – es dampft wie in einer Waschküche am helllichten Nachmittag.

Gleich am nächsten Morgen legen wir erneut ab.  Der Wind ist nicht günstig aber in den nächsten Tagen werden die Startbedingungen noch schlechter bis unmöglich. Am Cabo de Gata müssen wir echt kämpfen, für die Rundung unter Motor mit Stützsegel brauchen wir gut 1,5 Stunden. Danach geht es wieder. Nachts an Cartagena vorbei, dann ab frühen Morgen können wir endlich mal segeln und entschließen uns, Alicante anzusteuern. Und juhu, es beißt mal wieder ein Fisch – ein „Little Tunny“ – alles, aber klein ist der nun wirklich nicht, bringt knapp zehn Kilo auf die Waage.

Den kurzen Aufenthalt in Alicante nutzen wir ausschließlich zum Tanken und zum Entsalzen des Schiffs. Die schöne Stadt kennen wir schon von unserem Besuch im letzten Jahr zusammen mit Sibylles Nichte Emily und ihrem Freund Ben Ole. Und jetzt, wo überall die COVID-19 Infektionen wieder ansteigen, ist uns gar nicht danach, sich unbedingt unter unbekannte Menschen zu mischen.

Und so wird ab jetzt geankert. Mit reichlich Vorräten inklusive des großen Fangs sind wir autark für die nächsten Wochen. Von der hübschen Bucht bei Moraira kurz unterhalb von Denia gelegen, springen wir am nächsten Morgen ab rüber Richtung Formentera. Bei spiegelglatter See sind wir auch ohne Wind bereits am Nachmittag drüben im Ankerfeld von Es Trucadors, in unmittelbarer Nähe der Durchfahrt zwischen Ibiza und Formentera gelegen.

Und wir genießen das Ankerleben in vollen Zügen. Drei Tage hier, dann vier Tage in der Bucht von Tarida auf Ibiza. Dort betreten wir zum ersten Mal wieder festen Boden, allerdings auch nur, um unseren Müll zu entsorgen, denn das Menschengewimmel an dem allerdings sehr schönen Strand ist uns dann doch zu unheimlich.

Ein Traum ist die Bucht Cala Blanca, ebenfalls an der Westküste von Ibiza gelegen. Nicht viele Boote finden den Weg hierhin, vermutlich weil es hier weder ein Restaurant noch Internetempfang gibt. Gut für uns, denn seit einigen Tagen spürt man nun doch, dass mit Beginn der Urlaubssaison die Buchten sich zusehends füllen. Charterboote sind allerdings kaum unterwegs, außer ein paar wenigen mit meist spanischer Crew sind bei den Seglern nur Eigner zu anzutreffen. Wir paddeln auf dem SUP Board, schnorcheln und genießen das türkisblaue Wasser – schwimmend und in der Hängematte schaukelnd.

Und wir geben uns redlich Mühe, den Kühlschrank zu leeren …

Richtig viel Lust haben wir auch nach vier weiteren Tagen eigentlich gar nicht, um rüber nach Mallorca zu segeln, aber irgendwann wollen wir ja auch mal ein Stück weiter. Und in der weitläufigen Bucht von Santa Ponça im Südwesten von Mallorca gefällt es uns diesmal sogar überraschend gut, auch wenn diese mit der unverbauten Idylle unserer letzten Ankerbucht nichts gemein hat. Hier stocken wir nun auch endlich mal wieder Vorräte und Getränke auf, da der Skipper inzwischen in Ermangelung von Bierreserven dazu übergehen musste, Sibylle den Wein wegzutrinken 😉.

Auch den Münz-Waschsalon besuchen wir und belohnen uns für die Strapazen in der sehr gepflegten Strandbar mit Drinks und Tapas. Es fühlt sich komisch an, wieder unter Menschen zu sein. Die Abstandsregeln zwischen den Tischen und Gästen werden zumindest in dieser Bar gerade so eingehalten und das Personal trägt Maske wie vorgeschrieben. Auf den Balearen herrscht – wie inzwischen fast wieder überall im Land – verschärfte Maskenpflicht, das heißt, Maske tragen immer und überall, außer am Strand und beim Sport. Eine echte Herausforderung bei der Glut-Hitze hier im Hochsommer.

In Santa Ponça treffen wir schließlich auch Claudia und Gordon wieder, die Crew von der GLEC, die uns an Gordons Geburtstag an Bord mit leckerer Pasta bewirtet.

Für einen kurzen Stopp wollten wir ohnehin in die schöne Hauptstadt Palma rüberfahren, einen echten Anlass haben wir allerdings, als Sibylle aus der Hängemattenposition am Vorschiff ein defektes Unterwant entdeckt. Eine Kardele hat sich bereits herausgelöst. Für unglaublich günstige 35 Euro pro Tag reservieren wir einen Liegeplatz am STP-Shipyard, nur zehn Minuten von Altstadt und Kathedrale entfernt. Und gleich mehrere Rigger sind dort vor Ort. Also tuckern wir am 5. August die 16 Meilen hinüber in den Hafen von Palma ….