Monthly Archives: Februar 2019

Segeltaktik in den „Channels“

In den Meerengen zwischen den Inseln der Karibik pfeift der Wind oft richtig. Viel Wind – das ist uns aus der Ägais ja durchaus nicht fremd, doch hier im Atlantik kommt oft eine heftige Strömung hinzu, die in Richtung Süden das Schiff meist ordentlich voranschiebt, in nördlicher Richtung jedoch zum Teil ärgerlich weit ab vom Wunschkurs versetzt. Kräftig drückt die Atlantikwelle von Ost nach West im Freiwasser zwischen den Inseln. Nicht selten hat der stets böige kräftige Wind eine Nordkomponente. Will man also vom Süden der kleinen Antillen zurück in den Norden, segelt man daher meist hoch am Wind und muss so gut es geht „vorhalten“, das bedeutet, man fährt so hart am Wind gen Osten wie möglich, um den westlich versetzenden Strom auszugleichen.

Die Empfehlungen im Revierführer von Chris Doyle sind sehr hilfreich, um unvorhergesehene Stresssituationen bei Starkwind und hoher Welle zu vermeiden. Theoretisch 🙂

So „motorsegeln“ wir mit halb gesetztem Großsegel im Lee von St. Vincent bis zur Nordspitze, besonders die letzten Meilen verlangen dem Motor einiges ab gegen Welle und Strom, und trotz hoher Drehzahl kommen wir nur mäßig voran. Wir sind soeben frei vom Land, da scheppert mal wieder unsere Coladose an der Schleppangel und der Expander spannt sich fast bis zum Zerreißen. Im selben Moment ein schrilles Piepen – der Motor mahnt Überhitzung an. Burkhard schaltet ab und springt nach unten, um die Temperatur festzustellen. Sibylle bemüht sich, das Schiff ein wenig in Fahrt und auf Kurs zu halten – mit halbem Großsegel kein sehr erfolgreiches Unterfangen, aber wenigstens zeigt der Richtungspfeil auf dem Kartenplotter an, dass wir nicht auf die Nordspitze der Insel zurücktreiben. Gleichzeitig versucht sie Stück für Stück, die Angelleine über Hand auf die Spule zu wickeln, das Ganze dauert circa 20 Minuten, dann geht nichts mehr.

Wir wollen am selben Tag noch bis zur Rodney Bay hochfahren, eine Tagesetappe von knapp 80 Seemeilen. Unsere Ankunft wird ohne erst weit nach Anbruch der Nacht sein, insbesondere jetzt, wo uns der Motor mal wieder im Stich lässt.

Strömung und Wind versetzen uns zusehends weiter weg von der Insel, und schließlich fahren wir eine Wende, um wieder näher an Land zu kommen. Wir machen jedoch kaum Fahrt und erst recht keine Höhe, die Steuerfrau muss sich sehr konzentrieren, um zu vermeiden, dass wir wieder zurück in die Richtung fahren, aus der wir gerade gekommen sind. Nachdem wir uns dem Ufer einige Meilen genähert haben, geben wir das Unterfangen auf, wenden erneut und schalten den Motor wieder ein. Wir sind uns nicht sicher, was den Überhitzungsalarm ausgelöst hat. Die Seewasserpumpe und auch der Impeller sind völlig in Ordnung, das Seewasser wird in gewohnter Menge durch den Kreislauf gepumpt. Mit niedriger Drehzahl und ständiger Temperaturkontrolle bewegen wir uns langsam aber stetig auf unser Ziel zu. Näher unter Land wird der Winkel zum Wind günstiger, das Großsegel schiebt mit und auch die Strömung lässt nach. Gegen 22:00 Uhr laufen wir in die Rodney Bay ein und werden von „Ariranha“ begrüßt, die ebenfalls hier ankert. Beim Ankermanöver fängt es an, aus Kübeln zu schütten. Eigentlich haben wir heute Vollmond, aber der Himmel ist pechschwarz und in dem Regenvorhang kann man kaum die Hand vor Augen sehen. Kein schöner Empfang in St. Lucia!

Burkhard übernimmt auf Zuruf das Steuer, eigentlich müssen wir dringend das Vorsegel setzen, um ohne Maschine voranzukommen, doch der Fang geht jetzt erstmal vor. Hinter unserem Schiff an der mittlerweile recht kurzen Leine hängt ein riesiger Fisch. Sibylle spurtet nach unten, um das Gaff zu holen, auf Burkhards Hilfe muss diesmal verzichtet werden. Mit zitternden Händen (vor Angst, der Fisch könnte inzwischen vom Haken gehen), wird schnell das Gaff montiert. Die Angst war berechtigt, denn als der mehr als 15 Kilo schwere Fang endlich an Deck liegt, steckt der Köder nur noch im kurzen Schwert des Fisches fest, das Ködervorfach ist gerissen …. Das war in letzter Sekunde, puh! Doch jetzt müssen wir erstmal wieder vernünftig Fahrt aufnehmen, in Richtung St. Lucia. 

Später identifizieren wir unseren Fisch als Blauen Marlin, nach erneuter Recherche zwei Tage danach jedoch als sogenannten „Sailfish“ (deutsch: Fächerfisch). Beide Spezies gehören zur Familie der Speerfische. Der Sailfish zeichnet sich durch eine strahlendblaue große fächerartige Rückenflosse aus, die mit schwarzen Tupfen durchsetzt ist.

Leider haben wir es in der Aufregung um den Motor nicht hinbekommen, vernünftige Aufnahmen von unserem großen Fang zu machen. Daher verwenden wir hier zusätzlich eine Abbbildung von wissen.de (© RCS Libri & Grandi Opere SpA Milano/Il mondo degli animali).

Die riesigen Fischfilets schmecken herrlich, mariniert als Tartar oder Ceviche oder auch gebraten. Wir teilen unseren Fang mit Christine und Michael von der „Ariranha“, und verbringen kulinarisch wertvolle Abende an Bord unserer Schiffe.

Unser gemeinsam geplanter Entspannungs-Tag im Hotel „Sandals“ findet leider nicht statt. An der Rezeption erklärt man uns, dass man die Vergabe von Pässen für Tagesgäste ausgesetzt hat, solange das Hotel hundertprozentig ausgelastet ist. Schade.

Wir wandern am Strand entlang zurück und verbringen statt dessen einige nette Stunden and der Strandbar von „Landings“, nutzen hier die „Wasserliegen“ und die Süßwasserduschen. In einem lokalen Restaurant in Gros Islet essen wir anschließend gut und günstig, dann nehmen wir den Minibus zurück zur Marina.

Die Straßen brodeln heute im Vorfeld der Feierlichkeiten für den Nationalfeiertag , alle Autos sind mit der Landesflagge geschmückt. Auch in der Marina hat ein Künstler den Feiertag thematisiert, mit den Landesfarben und bunten Gesichtern auf runden Säulen.

Es ist ein seltsames Gefühl, wieder mal durch die Rodney Bay Marina zu laufen, die uns so viele Tage ein sicherer Hafen gewesen ist, an der Boardwalk Bar einen Drink zu schlürfen und bei Elena die ausgezeichnete italienische Pizza zu bestellen. Beim Chandler kaufen wir zwei Dosen Antifouling – wir müssen in der nächsten Zeit dringend mal unser Unterwasserschiff pflegen und neues Antifouling anstreichen.

Die Tage in St. Lucia gehen vorbei wie im Flug – eigentlich wollen wir längst auf Martinique sein, doch der Wind bläst in diesen Tagen recht kräftig und hat dazu eine ausgeprägte Nordkomponente. So verschieben wir die Überfahrt nach Martinique auf den letztmöglichen Termin, den Tag der Ankunft von Burkhards Bruder Harald und Schwägerin Sabine.

Wenn wir nicht gerade mit der Crew von der Ariranha unterwegs sind, treffen wir Vorbereitungen für den Besuch und erledigen einige Arbeiten am Boot. Die Sprayhood wird geflickt, die WC-Pumpe achtern ausgetauscht. Dank kräftigem Wind und Sonnenschein haben wir in diesen Tagen mit der Energieversorgung überhaupt kein Problem, insbesondere der Windgenerator produziert gut, auch und vor allem in der Nacht.

Am 26. Februar geht es durch den St. Lucia Channel endlich Richtung Martinique. Wieder „motorsegeln“ wir, bis wir gut frei von der Insel sind. Dann segeln wir so hoch am Wind, wie es nur geht. Wieder können wir nicht vermeiden, dass wir weiter nach Westen versetzt werden als gewünscht. Die Wellen sind gut 3-4 Meter hoch und häufig wird der Bug überspült. Wir wundern uns, dass die „Ariranha“ den Kurs erheblich besser hält – wie sich herausstellt, haben sie jedoch die gesamte Strecke den Motor mit eingesetzt.

Gut 7 Meilen vor der Südküste von Martinique erwischt uns ein Squall – der Wind geht auf knapp 35 Knoten hoch und wir haben Mühe, die Genua schnell genug einzurollen, die wir eben noch auf volle Stärke ausgerollt hatten. Auch die Windrichtung ist nun mehr als ungünstig, so packen wir das gesamte Tuch ein und motoren den Rest der Strecke gegen Wind und Welle bis Le Marin, wo wir für ein paar Tage einen Platz in der Marina gebucht haben, damit unser Besuch trockenen Fußes an Bord kommen kann.

Rum, Schokolade, Gewürze und Meer

Nie wieder trinken wir Rum … denken wir bei uns, während wir in die jahrhundertealten Bottiche mit stinkender, trüber Brühe schauen, aus der ein paar Arbeitsgänge später das hochprozentige Destillat gewonnen wird.

Wir besichtigen eine Rum-Fabrikation aus dem 18. Jahrhundert auf der Insel Grenada. Es ist faszinierend, an dem Herstellungsprozess wurde seit der Gründung im Jahr 1785 fast nichts verändert:

Ein Wasserrad, das während des Produktionsbetriebes aus einer natürlichen, gestauten Quelle gespeist wird, treibt den gewaltigen „Crusher“, welcher das Zuckerrohr zerkleinert und zerdrückt, so dass der Zuckerrohrsaft ausfließt.

Über Berge von getrockneten Zuckerrohrresten (Bagasse genannt), die zum Teil als Brennmaterial wiederverwendet werden, stapfen wir in die hölzerne Produktionshalle, wo der Saft aus dubiosem Rohrsystem von Bottich zu Bottich fließt, reduziert und schließlich vergoren wird. Verschiedene Bauern aus der Umgebung liefern ihr Zuckerrohr hier ein, gemessen und bezahlt werden sie nach der Menge der Saftproduktion, die wie vor 250 Jahren an einer Tafel in der Fermentierungshalle festgehalten wird.

Die nächste Station ist die Destillation, hier wird kräftig eingeheizt, um im Druckkessel das Rum-Destillat zu gewinnen, welches in einer Rohrschlange im Bachwasser abgekühlt und zur Abfüllstation geleitet wird. Sehenswert ist auch die sogenannte Qualitätskontrolle: hier wird der Alkoholgehalt festgestellt und je nach Ergebnis das Destillat in unterschiedliche Behälter geleitet. Die Abfüllung in Flaschen erfolgt von Hand.

Zwar werden bei „Rivers Rum Grenada“ nur kleine Mengen hergestellt – 600 Flaschen täglich – und für die weitere Reifung in Fässern ist die Nachfrage auf der Insel Grenada zu groß, man hat keine Zeit um braunen Rum zu produzieren, also bleibt es bei weißem, aber der hat es in sich.

Das Hauptaugenmerk der Produktion liegt auf der Herstellung von 75%tigem Alkohol, da im Flugzeug wegen der Brandgefahr aber nur die Mitnahme bis 70% gestattet ist, wird zusätzlich für die Touristen eine 69%tige Variante abgefüllt. Nach der Verkostung könnten wir als Feuerspeier auftreten, so sehr brennt das Zeug.

Berühmt ist Grenada auch für die Kakaobohnen- und Schokoladenproduktion. Und so besichtigen wir mit Jouvay Chocolate und Belmont Estate gleich zwei altehrwürdige Verarbeitungsstätten. In der Fermentierungshalle riecht es wie in einer Weinkelterei, das leicht säuerliche Fruchtfleisch der Kakaofrüchte wird hier in großen Holzkisten mit Bananenblättern abgedeckt vergoren. Der Vorgang dauert 6-7 Tage, währenddessen werden die Bohnen regelmäßig von einer Kiste zur anderen geschaufelt, um ein gleichmäßiges Ergebnis zu erreichen. Erst nach der Fermentation lassen die Kerne den typischen Schokoladengeschmack erkennen, der sich mit anschließender Trocknung und Röstung der Bohnen dann noch verstärkt.

Auch hier kommt beim Trocknen der fermentierten Bohnen noch alte „Technologie“ zum Einsatz: in riesigen Holzschubkästen auf mehreren Ebenen werden die Bohnen in der Sonne getrocknet. Auf Eisenschienen gelagert können die Schubkästen bei Bedarf unter eine regenfeste Abdeckung gefahren werden.

Ergebnis der Schokoladenproduktion sind zartschmelzende dunkle Schokoladen mit hohem Kakaoanteil, dann die sogenannten Cocoa-Balls, die man hierzulande für die Bereitung von „Chocolate Tea“ (bei uns: „heiße Schokolade“) verwendet, aber auch Kakaobutter, die hauptsächlich in Kosmetika Verwendung findet.

In der Markthalle von St. George wie beim Einkauf bei verschiedenen Gewürzhändlern lernen wir viel über die wichtigsten Gewürze der Insel, insbesondere über die Muskatnuss. Sämtliche Bestandteile der Frucht und des Kerns werden irgendwie verwendet: aus der dickfleischigen gelben Frucht, die die Muskatnuss umhüllt, gewinnt man Muskatsirup und -gelee. Der eigentliche Kern ist in frischem Zustand von einem knallroten Netz überzogen, dem sogenannten „Mace“: dies wird getrocknet ebenfalls als Muskat-Gewürz verwendet, ist jedoch feiner im Geschmack. Die Muskatnuss ist das Hauptexportprodukt Grenadas. 20% des Weltverbrauchs an Muskatnüssen stammen aus Grenada, das damit nach Indonesien der zweitgrößte Produzent von Muskatnüssen weltweit ist. 

Zusammen mit Zimt, Ingwer und Piment hat sich Grenada den Ruf der Gewürzinsel in der Karibik erworben.

Grenada hat auch sonst einiges zu bieten. Bei einer Taxirundfahrt erkunden wir den nördlichen Teil der Insel. Unser Fahrer Andrew zeigt uns neben den Rum- und Schokofabriken den Concord Wasserfall, den Schildkrötenstrand, zwei Süßwasserseen, den Regenwald, die Schwefelquellen und schließlich zum Abschluss der achtstündigen Rundfahrt noch den atemberaubenden Blick von der Festung auf St. George, die Bucht und den Hafen.

Peinlich nur, dass wir am Ende kaum noch das Geld zusammenkratzen können, um ihn für seine Mühen zu entlohnen – offensichtlich haben wir zu viel in Rum, Schokolade und Gewürze investiert😊. Dummerweise funktioniert an diesem Abend auch Burkhards Kreditkarte nicht, Sibylles Karte wurde von der Bank aus Sicherheitsgründen prophylaktisch gesperrt. So legen wir das wohlverdiente Trinkgeld schließlich in US-Dollar drauf, die hier neben der Landeswährung immer gern genommen werden.

Die Hauptstadt St. George ist geprägt von altenglischer Bausubstanz, vor der sich das bunte Leben der quirligen Stadt besonders abhebt. Wir besuchen den Gewürzmarkt und durchstöbern einige größere Supermärkte. Einkaufen in der Karibik geht immer nach der Devise: man kaufe, was man gerade bekommen kann, auch wenn man es nicht sofort braucht. Im nächsten Ort oder Supermarkt darf man nicht darauf hoffen, dasselbe Produkt nochmals zu ergattern.

Drei Tage lang liegen wir vor Anker in der Grand Mal Bucht bei St. George, vier weitere an einer Mooring im GYC – Grenada Yacht Club. Anders als in der gegenüberliegenden Port Louis Marina sind hier die Liegegebühren moderat und wir wollen auch schauen, ob der Liegeplatz eventuell als Sommerquartier während der Hurrikan-Saison taugt. Auch wenn der Yachtclub mit der zugehörigen Restaurantterrasse irgendwie sympathisch ist – monatelang hier zu verweilen, können wir uns dann doch nicht vorstellen. Wir fahren auch zur Besichtigung eines hurrikan-sicheren Landstellplatzes nach Clarks Bay. 

Hier möchte man erst recht nicht länger bleiben, abgesehen von der täglichen Kletterei, wenn das Schiff am Land steht, ist hier außer der Clarks Court Marina weit und breit nichts, zum nächsten Supermarkt kommt man nur mit dem Taxi. Außerdem ist der sehr gut gepflegte Platz für die kommende Saison bereits ausgebucht, wie wir erfahren. Wir lassen uns auf die Warteliste aufnehmen, doch Clarks Court wäre für uns nur dann eine Option, wenn wir während der vier Monate nicht auf dem Schiff bleiben würden.

Grenada ist vorläufig der südlichste Punkt unserer Karibik-Reise, nun orientieren wir uns wieder Richtung Norden, um in Martinique Burkhards Bruder und Schwägerin aufzunehmen.

Wir segeln zurück über Carriacou. Die Insel Carriacou gehört ebenfalls zum Staat Grenada und der Ankerplatz in der Tyrrel Bay wie auch der kleine Ort Hillsborough haben es uns ganz besonders angetan. Christine und Michael von der Ariranha haben sich in der Woche zuvor viel Zeit genommen, um uns ihre Lieblingsplätze zu zeigen. 

Die beiden lebenslustigen Deutschen segeln seit vielen Jahren in der Karibik und kennen sich bestens aus. Nun sind sie zum ersten Mal mit dem eigenen Schiff hier. Wir verbringen gemeinsam nette Stunden bei unzähligen Drinks und sehr guter lokaler Küche. Nachdem Burkhard sich abends beim Aufholen des Dinghi die Winschenkurbel ins Schienbein rammt, kümmern sie sich rührend, holen uns mit ihrem großen Dinghi ab, begleiten uns zum Arzt in Hillsborough, als sich die Wunde entzündet.

Hillsborough ist ein angenehmer, bunter Ort mit reichlich Einkaufsmöglichkeiten. Die Terrassen der einheimischen Bars am Strand bieten einen herrlichen Ausblick auf die türkisfarbene weite Bucht – das ist jetzt mal Karibikfeeling pur. Man kann stundenlang einfach nur so dasitzen und entspannen. Wir genießen in vollen Zügen ….