Weiter gen Westen

Es treibt uns weiter Richtung Westen – nicht nur, weil wir so etwas wie Zeitdruck verspüren, um rechtzeitig, das heißt deutlich vor Start der ARC die Kanaren zu erreichen, sondern auch um dem schlechten Wetter zu entgehen, das uns immer wieder einzuholen scheint.

 

Sardinien ist wundervoll in jeder Hinsicht, doch haben wir Bedenken, das Wetterfenster mit mildem Südost-Wind verstreichen zu lassen, mit dem wir komfortabel auf die Balearen übersetzen können. Also brechen wir etwas früher auf als geplant. In Cagliari haben wir einiges erledigt: Zahnärztin, Einkäufe, das Angel-Tackle Paket abgeholt, welches der fürsorgliche Bruder und Schwager zur Sicherstellung unseres nächsten großen Fangs dorthin geschickt hatte. Auch der Autopilot ist inzwischen repariert: die Antriebs-Zahnräder waren durch, die neuen Teile sind jetzt aus Metall und dadurch hoffentlich robuster. Der fähige Mechaniker stellt auch den Winkel neu ein, damit das Ruder nicht bis zum Anschlag dreht und der Motor des Autopiloten weniger belastet wird. Auch ein längst überfälliges Software-Update für unsere Kartenplotter wird noch schnell durchgeführt. Und weil alles ausnahmsweise mal glattläuft, verliert Sibylle ihr Portemonnaie mit sämtlichen Karten und Ausweisen beim Radfahren auf der Straße. Eine furchtbar nette junge Frau namens Roberta stellt die Börse sicher, kontaktiert Sibylle per Email und Facebook und händigt ihr wenig später das gute Stück vollständig wieder aus. Den Bargeldbetrag, der sich im Geldbeutel befand, muss man ihr quasi aufdrängen … Glück im Unglück, ein Wunder, dass es noch solche ehrlichen Menschen gibt – doch Sibylle ist für den Rest des Tages völlig erledigt.

Aus der wunderschönen türkisen Bucht Cala Zafferano werden wir leider am nächsten Morgen vom Militär vertrieben, nachdem sich nach einem regnerischen Vortag endlich die Sonne durchsetzt. In allen Revierinformationen ist zu lesen, dass man im Juli und August hier ankern darf, auch wenn die Bucht eigentlich im militärischen Sperrgebiet liegt. Selbst die vielen italienischen Boote können kaum glauben, was ihnen geschieht, doch gnadenlos fordern die Soldaten jedes einzelne Schiff auf, die Bucht sofort zu verlassen.

 

Wir verlegen uns etwas frustriert nach Porto Pino, von hier wollen wir den Absprung nach Menorca nehmen. Für die Überfahrt haben wir diesmal zwei Tage und zwei Nächte eingeplant, unsere längste zusammenhängende Fahrt bis jetzt. Auch in Porto Pino bleiben wir von Regen und Gewitter nicht verschont – das Wetter ist extrem unbeständig und wenig typisch für die Hochsommermonate in diesen Breiten. In der Hoffnung, dass wir zumindest unterwegs von Unwettern verschont bleiben, machen wir uns am Vormittag des 07. August auf den langen Weg. Nach einigen Stunden unter Motor können wir schließlich wie geplant die Segel setzen und kommen mit raumen Wind bis zum nächsten Vormittag gut voran.

Dann verabschiedet sich der Wind leider gänzlich, dabei haben wir noch mindestens 70 Meilen vor uns – keine schöne Perspektive. Wir nutzen die Fahrt unter Motor, um uns mit dem Thema `Ausbaumen der Genua` auseinanderzusetzen. Als wir schließlich den Baum mit Topnant und Niederholer vorschriftsmäßig angeschlagen haben, lässt uns sehr bald die milde Brise erneut im Stich und bis zum Abend schippern wir die nächsten 20 Meilen unter Motor. Dann holen wir die Segel wieder auf, egal wie, keiner von uns beiden hat die Nerven, die ganze Nacht hindurch das Motorgeräusch zu ertragen. Etwa 3 Stunden später kommt nach einer Halse auch tatsächlich wieder guter Wind auf, der uns bis in die Hafeneinfahrt von Mahon bringt, wo wir am 09. August gegen 10:30 Uhr in einer seitlichen Bucht am Anker festmachen.

 

Viele Boote liegen hier in der Cala Teulera, wo das Ankern maximal für drei Tage geduldet wird, danach muss man sich an einen der teuren Hafenplätze in Mahon verlegen. Heute wollen wir hier einfach nur erstmal ausruhen und dann weitersehen.

Auch Menorca ist zumeist wolkenverhangen, nur gelegentlich kommt an diesem Tag die Sonne durch. In der Nacht gibt es dann ein fürchterliches Unwetter mit Gewitter und Sturmböen bis 51 Knoten, so etwas haben wir bisher am Anker nicht erlebt. Gegen drei Uhr nachts bricht die Hölle los, die Blitze erleuchten die Bucht taghell, dazwischen ist es stockfinster. Der Regen prasselt wie aus Kübeln. In dem starken Wind treiben Segelboote, deren Anker sich gelöst haben, vor uns hängen zeitweilig zwei Boote an der größeren schwedischen Segelyacht Dream Time, die nach einer Drehung nun mit ihrem Heck an unserem Bug festhängt. 

Am Heck der schwedischen Yacht ist das Dinghi mit einer Kette befestigt, die sich wiederum in unserer Ankerkette verhakt und unter unseren Bug gezogen wird, so dass wir zunächst auch selbst keine Kette rauslassen konnten, um weitere Kollisionen zu verhindern. Nur auf nachhaltiges Geschrei von Sibylle reagiert der schwedische Skipper und löst die Dinghi-Kette. Erst als unser Bug wieder frei ist, können wir ein paar Meter Ankerkette rauslassen. Allzu viel können wir jedoch nicht nach hinten ausweichen, da unmittelbar hinter uns ein holländisches Boot mit einem jungen Pärchen liegt. Der Abstand reicht so gerade eben, um einen erneuten Zusammenstoß zu vermeiden. Der Skipper der schwedischen Yacht weigert sich, Kette aufzuholen mit dem Hinweis „I was here first“ – keine angemessene Strategie zur Schadensbegrenzung. Tiefe Kratzer an Steuerbord vorn, vor allem in der blauen Lackierung, sowie Beschädigungen am Bugkorb und am Holz der Süllkante sind das Ergebnis der Nacht. Außerdem hat Burkhard seine Gleitsichtbrille ans Meer verloren.

Der Eigner des schwedischen Schiffes behauptet später, er sei weder abgetrieben noch hätte er aus Sicherheitsgründen nachts Kette rausgegeben. Im Gegenteil, er versteigt sich dazu zu erklären, wir seien auf sein Boot getrieben und nicht umgekehrt, was natürlich angesichts der zur Zeit der Kollision vorherrschenden Windrichtung und der Tatsache, dass er mit seinem Heck an unserem Bug festhing, völlig unsinnig ist.  

Auch am Morgen holt der Schwede keine Kette. Also verlegen wir uns an einen freien Ankerplatz in der Mitte der Bucht und Burkhard kontaktiert Pantenius, um den Versicherungsschaden zu melden. Viele Yachten sind noch in der Nacht abgefahren. Wir passieren im Vorbeifahren die SY Rasant, auch eine Hallberg Rassy. Die Holländer sind besorgt und möchten wissen, wie es uns ergangen ist, am Tag zuvor haben sie uns beim Ankern schon vor einer flachen Stelle in der Bucht gewarnt.

Dann kommen Michael und Linda von der SY B`Sheret (Najad 37), Amerikaner. Sie haben Sibylle in der Nacht schreien hören und auch sie wollen erfahren, was eigentlich passiert ist. Der nette Plausch dauert länger als sie geplant hatten, aber dann müssen nach Mahon zum Einklarieren.

Wir machen das Dinghi und SUP-Board startklar, Sibylle holt den Freediver aus dem Stauraum. Wir wollen Fotos von den Schäden machen und auch nach Burkhards Brille suchen, die er in der Nacht verloren hat. Als Sibylle draußen auf dem Brett steht, kommen Hans und Jos von der „Rasant“ rübergefahren. Sie sind sich sicher, dass die „Dream Time“ nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz liegt. Unserer Einladung aufs Boot zu kommen nehmen sie gern an, wir verbringen ein paar nette Stunden zusammen und tauschen Erlebnisse aus. Anschließend versucht Sibylle die Brille zu finden, leider ohne Erfolg. Michael und Linda helfen mit einem weiteren Bleigurt, aber Sibylle hat beim Tauchen fürchterliche Ohrenschmerzen, besonders auf dem linken Ohr, was schon seit der Überfahrt Probleme macht. Das Wasser ist völlig trüb, man sieht den Grund erst, wenn man kurz davor ist. Am Abend bringen Linda und Michael Ohrentropfen und bleiben auf einen Drink, auch sie haben viel zu berichten, vor allem von ihrer Reise durch den Pazifik.

Am nächsten Vormittag wollen wir nun endlich nach Mahon fahren zum Einkaufen. auch Hans und Jos sind schon unterwegs, als wir gegen 11:30 Uhr endlich lostuckern. Sie haben uns für 17:00 Uhr zu Drinks an Bord der „Rasant“ eingeladen. Der Weg bis zur Stadt ist weit – circa 1,5 Meilen – aber wir genießen die Fahrt durch den zweitgrößten Naturhafen der Welt (nach Pearl Harbour).

Die Stadt wirkt ruhig, aufgeräumt, hell und sauber, sehr schöne alte Häuser säumen die auffallend breiten Straßen. An einem Platz finden wir einen Optiker und fragen wegen Anfertigung einer Gleitsichtbrille für Burkhard. Aufgrund eines Feiertags in der kommenden Woche würde die Bestellung der Brille eine ganze Woche dauern, das ist uns zu lang. So erwirbt Burkhard eine kleine Auswahl an Fertigbrillen, welche die verschiedene Situationen abdecken und vorläufig die Gleitsichtbrille ersetzen werden.

Es ist fast 21:00 Uhr als man uns auf der „Rasant“ mit der Frage nach einem Kaffee hinausschmeißt – wir haben überhaupt nicht gemerkt, wie die Zeit vergeht. Beim Ablegen mit dem Dinghi nimmt Sibylle unfreiwillig ein Bad, mit den Handys in der Hand, die Gott sei Dank in wasserdichtem Beutel verpackt waren.

 

In den kommenden Tagen segeln wir ein Stück des Wegs gemeinsam. Wir folgen der „Rasant“ in die Cala Son Sauro und nehmen am nächsten Tag ebenfalls Kurs auf Mallorca. Wieder einmal Gewitterwolken bei der Abfahrt von Menorca und heftiges Gewitter neben uns bei der Ansteuerung von Polença. Und wieder gibt es sehr früh am Morgen ein Unwetter, Gott sei Dank ist das Ankerfeld in Polença sehr weitläufig und die Windböen nicht so stark wie Tage zuvor, doch auch hier driftet ein Boot durch die Bucht, zwischen „Rasant“ und „Ithaka“ hindurch – schön, dass es unsere Anker nicht erwischt hat.

Damit es uns denn auch nicht langweilig wird, lässt Burkhard dann vorgestern mal eben unser Steuerrad ins Wasser plumpsen – herrje. Also muss Sibylle mal wieder mit dem Freediver tauchen, dankenswerter Weise ist der Grund nicht tief, wenn auch das Wasser nicht minder trüb und undurchsichtig ist – doch so ein Lenkrad ist dann schon leichter wiederzufinden als eine Brille …. Ab sofort werden wir das Lenkrad immer festbinden, wenn wir es abnehmen!

Inzwischen scheint die Sonne wieder und gemeinsam mit der „Rasant“ machen wir uns auf den Weg zur Costa de los Pinos – diesmal mit schönem Wasser zum Baden!

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