Auch wenn es sich jetzt wirklich sehr komisch anfühlt, aber die nachfolgenden Abschnitte bis zu unserer Abreise aus Guadeloupe am 12. Mai 2019 waren bereits fast fertiggestellt, so dass wir den Bericht über unsere letzten Wochen in der Karibik trotz erheblicher Zeitverzögerung nun doch veröffentlichen. In Guadeloupe war vor der großen Fahrt wie üblich leider zu viel Vorbereitungs-Hektik und Aufregung in letzter Minute angesagt, da ist die Publikation auf der Strecke geblieben.
Seit unserem kurzen Deutschlandbesuch anlässlich der Hochzeit von Sibylles Bruder Christoph Anfang April läuft uns die Zeit einfach davon. In den ersten zwei Wochen nach der Rückkehr kämpft Sibylle zudem mit den Folgen eines Zeckenbiss, den sie sich überflüssigerweise beim Bärlauch Sammeln in Süddeutschland zugezogen hat. Das Antibiotikum, welches gegen eine mögliche Borreliose-Infektion verschrieben wurde, ist reines Gift und verursacht alle Arten von Nebenwirkungen, die Sibylle auf der schönen Insel Antigua schließlich völlig umschmeißen, und auch nach dem Absetzen des Medikaments erholt sie sich nur mühsam.
Natürlich kennen wir bisher nur einen kleinen Ausschnitt des karibischen Reviers. Und leider mussten wir auf dem Weg nach Norden an Dominica vorbeisegeln, eine Insel, welche trotz der Hurrikan Schäden aus 2017 als echtes Highlight gilt. Dennoch – Antigua hat es uns besonders angetan. Auf den ehemals britischen Inseln geht alles irgendwie urtümlicher zu als auf den europäisch-französischen. Und der Charm der altehrwürdigen Gebäude und Anlagen von Nelson`s Dockyard in English Harbour ist einzigartig. Wundervoll sind auch die zahllosen weißen Strände mit Pudersand und türkisblauem flachen Wasser. Und im quirligen St. Johns brodelt das Inselleben, wobei sich hier – anders als weiter südlich – die Kriminalität sehr in Grenzen hält. Und auch das Ein- und Ausklarieren gestaltet sich, entgegen mancher haarsträubenden Seglerberichte, die man im Internet finden kann, völlig unproblematisch.
Zusammen mit „Ariranha“ ankern wir 10 Tage in Jolly Harbour, Antigua. Und ach ja – seit unserem Absprung aus Deshaies auf Guadeloupe haben wir einen Gast an Bord. Simon kommt aus Österreich und wird ebenfalls Anfang Mai von Tortola aus auf einem Segelschiff die Rückreise nach Europa antreten. Kurz entschlossen offerieren wir ihm die Passage nach Antigua, und auch den Aufenthalt an Bord, bis er einen Lift weiter in den Norden findet. Dazu kommt es dann nicht, zu den BVI`s muss er schließlich mit dem Flugzeug weiterreisen und wir verbringen herrliche Tage gemeinsam in der Bucht und an Land.
Simon hilft uns dabei, die Ladeleistung der Lichtmaschine durch den Austausch eines Kabels deutlich zu verbessern, er ersetzt den (wieder mal) defekten Stecker für die Fernbedienung der elektrischen Ankerwinsch und macht sich nützlich, wo er kann. Der Abschied fällt nicht leicht, so sehr ist uns der junge Elektroniker und – temporär auch Almbauer – ans Herz gewachsen.
Und auch die Trennung von der „Ariranha“-Crew wird eine lange werden – vielleicht sieht man sich noch kurz auf den Azoren wieder, aber anschließend wollen die beiden erstmal nach Deutschland zurück.
Noch einmal nähen wir gemeinsam und bessern vor der Überfahrt unsere Sprayhood aus, mit neuen Reißverschlüssen und Fenstern. Ein paar Wochen zuvor hatte Michael uns bereits bei der Anfertigung eines zusätzlichen Wind- und Regenschutzes für das Cockpit tatkräftig zur Seite gestanden. Sibylle macht es riesigen Spaß, dem gelernten technischen Konfektionär einiges abzuschauen. Unsere „Sailrite“ – die aus Sibylles Sicht weltbeste Nähmaschine für solche Canvas-Arbeiten an Bord – begleitet uns ja jetzt schon seit zwei Jahren und hat uns so manche Ausgabe erspart.
Am 03. Mai ist es dann so weit – wir geben Anker auf und fahren von Antigua zurück nach Guadeloupe. Zwei Tage gönnen wir uns noch in der schönen Bucht von Deshaies, bevor wir in die Marina nach Point à Pitre aufbrechen, um uns auf unsere zweite Atlantiküberquerung vorzubereiten. Die Fahnen der ABC Organisation wehen schon in der Marina und Direktor Francois hilft uns beim Anlegen. Alle 17 teilnehmenden Boote der ABC-Flotte liegen nebeneinander am Steg – ein buntes Bild mit all den Werbe-Flaggen, die wir neben zumeist flüssigen Geschenken (auch in Guadeloupe wird natürlich viel Rum produziert 😊) im Laufe der Woche von den Sponsor-Partnern der Organisation erhalten.
Leider sind wir die einzigen Deutschen, außer einem italienischen Boot sind alle Teilnehmer Franzosen. Unser Französisch ist eher rudimentär, zumindest was den aktiven Sprachschatz angeht, und das Englische ist für manche Franzosen durchaus problematisch. Das gilt jedoch nicht für die ABC-Organisation: hier ist man hundert Prozent zweisprachig, alle Briefings sowie Wetterberichte und Routings werden auch auf Englisch geliefert. Und mit dem Rest der Truppe arrangieren wir uns – man ist sehr bemüht uns zu integrieren, doch irgendwie bleiben wir eher Außenseiter.
Am Abend des 08. Mai trifft unser Freund Dieter ein. Er hat als waschechter Seemann viele tausend Meilen auf dem Buckel, aber gern möchte er nun endlich auch einmal unter Segeln den Atlantik überqueren. So wird er uns also auf unserem Rückweg nach Europa begleiten.
Die drei Tage bis zur Abfahrt sind vollgepackt: neben den täglichen Briefings und abendlichen Rum-Parties der ABC-Organisation, müssen wir noch frische Lebensmittel bunkern und vorkochen, das Dinghi muss eingepackt und das Vorsegel gewechselt werden. Da der erste Schreck: beim Herunternehmen fällt Sibylle auf, dass die Fock am Übergang zum Sonnenschutz kaputt ist, so ein Mist. Die große Genua ist zwar intakt und in St. Lucia erst repariert worden, hier hatte sich der Sonnenschutz auf der Atlantiküberquerung komplett aufgelöst. Aber ohne einen Vorsegel-Ersatz wollen wir in keinem Fall losfahren. Mit Unterstützung von Francois ereignet sich ein kleines Wunder: nach wenigen Stunden beim Segelmacher kann Dieter die geflickte Fock bereits am Nachmittag wieder abholen.
Doch dann gleich das nächste Drama: mal wieder läuft der Kühlschrank nicht mehr, genauer gesagt die berühmte Seewasserpumpe, die den Kompressor kühlt, scheint sich erneut verabschiedet zu haben. Hatten wir die nicht gerade noch auf Martinique getauscht und zuvor auf St. Lucia? Noch gut 36 Stunden bis zum Start, wir sind gereizt und fertig – Dieter entschärft die Situation und lädt uns in der Bar gegenüber zum Bierchen ein.
Am Samstag Vormittag gibt es dann neben dem lebenswichtigen Wetterbriefing genau eine Priorität: den Kühlschrank wieder ans Laufen bringen. Das Wetterbriefing ist ausgezeichnet, wir bekommen nicht nur detaillierte Hinweise für die Strecke der kommenden Tage, sondern erhalten auch ein allgemeines Verständnis für die Wetterbedingungen auf dem Nordatlantik.
Im Anschluss an den Wettervortrag, der per WebEx aus Frankreich übertragen wird, kümmert sich Burkhard beim Schiffsausrüster um eine neue Kühlschrankpumpe. Das wird eine größere Sache, denn eine Pumpe, die auf unsere Anschlüsse passt, ist natürlich nicht vorrätig.
Dieter und Sibylle warten währenddessen mit den anderen Teilnehmern auf den Fotografen für das Gruppenfoto, auf dem Burkhard nun leider fehlt. Als wir uns anschließend voller Verzweiflung erneut der defekten Kühlschrankpumpe widmen, fällt Dieter auf, dass der Zulauf zum Seewasserfilter abgesperrt ist, das hat gestern niemand bemerkt. Verursacher war offenbar der Mensch vom Volvo Motorservice, der in einem unbeobachteten Moment im Rahmen der Wartung am Vortag wohl sämtliche Ventile zugesperrt hatte, die er im Motorraum finden konnte …. AUA – sehr peinlich, aber als der Mechaniker von Schiffsausrüster zum Tausch der Kühlschrankpumpe erscheint, läuft die alte Pumpe bereits wieder 😉
Am 12. Mai 2019 fahren wir um 11:00 Uhr Ortszeit gemeinsam mit den anderen Teilnehmern über die Startlinie. Um von Guadeloupe wegzukommen, müssen wir zunächst südöstlich in Richtung der Insel Marie Galante aufkreuzen – mit dem Gegenwind zum Anfang hätte der Startpunkt kaum ungünstiger gewählt werden können. Schließlich schmeißen wir den Motor an, bis wir die Ostecke von Guadeloupe gerundet haben. Nach gut 40 Meilen können wir dann endlich durchstarten, Richtung Nordosten, Richtung Europa.
Ihr seid so mega tapfer! Meine ganz großen Vorbilder in Bezug auf Entschlossenheit, Durchhaltevermögen und Wagemut. Ihr schafft alles!!!!