Die Begrenzung auf die wenigen Quadratmeter an Bord sind wir ja gewohnt, auch von den wochenlangen Transatlantik-Strecken. Im Hafen an Bord eingesperrt zu sein, hat dennoch eine ganz andere Qualität. Das Für und Wider dieser Maßnahme, welche die spanische Regierung am 15.03.2020 ratifiziert hat, wollen wir nicht diskutieren. Wir persönlich glauben, dass es eine richtige und unvermeidbare Maßnahme ist – leider. Dennoch treibt die Umsetzung so manche Stilblüten, die man hinterfragen kann. Auslaufen dürfen wir nicht, auch nicht zum Tagessegeln oder Angeln oder Ankern bei ruhigem Wetter. Der Hafen von Almerimar ist komplett geschlossen, für einlaufende wie auslaufende Schiffe.
Bars, Restaurants und Non-Food Geschäfte sind seit vergangenem Sonntag gänzlich dicht. Im öffentlichen Raum darf man sich nur zweckgebunden bewegen, zum Lebensmitteleinkauf oder in die Apotheke, zu unvermeidbarem Arzttermin oder zur Arbeit gehen oder fahren. Das heißt für uns, wir können de facto nur für den Gang zum Supermarkt von Bord. Das versuchen wir allerdings in der Tat zur Zeit eher zu vermeiden, da sich die Krankheit hier in Spanien zur Zeit rasend schnell verbreitet und im Verhältnis zur Einwohnerzahl sind bereits doppelt so viele Menschen mit Covid19 infiziert wie z.B. in Deutschland – mit einer sehr hohen Dunkelziffer, da nicht ausreichend Tests zur Verfügung stehen. Hier im Süden Andalusiens allerdings, gibt es prozentual deutlich weniger Fälle.
Sport ist nicht erlaubt, auch nicht einzeln. Nur wer einen Hund hat, ist in diesen Tagen privilegiert: der Vierbeiner darf ausgeführt werden, jedoch auch hier die Beschränkung auf ein Minimum. Im Almerimar Yachtie-Forum hat daraufhin gleich ein Schelm seinen Hund zum Gassi-gehen angeboten, stundenweise und gegen Entgelt natürlich😉.
Kontrolliert wird das alles von der Policia Nacional und der Guardia Civil. Auf dem Weg zum Supermarkt – wir mussten dann doch am Donnerstag mal raus, um die in dieser Situation unverzichtbaren Bier- und Weinvorräte wieder aufzustocken – wird Sibylle auf dem Fahrrad von Militärpolizei in schusssicheren Westen gestoppt, mit der Frage ¿Dónde vas?. „Mercadona“ lautet die Antwort (Name einer großen Supermarktkette in Spanien) und mit einem bekräftigenden „Solo (nur, ausschließlich) Mercadona!“ darf sie ihren Weg fortsetzen.
Von den Ordnungshütern gestoppt und zurückgeschickt wird man auch, wenn man sich auf den Weg zu einer der Sanitäranlagen macht. Es entspinnt sich ein aufgeregter Dialog im Yachtie-Forum – einige Witzbolde raten dazu, einfach immer eine Einkaufstasche auf den Gang zu Dusche oder WC mitzunehmen … Schließlich erfährt man, ein Sonderpassierschein für diesen Zweck kann persönlich im Marina-Office abgeholt werden. Nachdem Sibylle ja schon zum Einkaufen raus durfte, macht sich Burkhard am Freitag auf den (leider recht kurzen) Weg zum Büro und kommt tatsächlich mit zwei vorausgefüllten und wichtig gestempelten Zetteln zurück. Wir freuen uns, zwar duschen wir eigentlich lieber an Bord, doch diese zusätzliche Bewegungsmöglichkeit ist sehr willkommen. Doch bereits einen Tag später kommt die Ernüchterung: Die Toiletten darf man zukünftig nicht mehr benutzen. Es gibt eine neue Verordnung die besagt, dass Kurzzeit-Urlauber das Land verlassen müssen, Langzeiturlauber dürfen bleiben, jedoch nur, wenn sie keine gemeinsamen Waschräume und Toiletten nutzen.
Das trifft besonders die Leute auf dem Yard, die mit dem Schiff an Land stehen und die eigenen Bord-Toiletten gar nicht benutzen können. Wir sind heilfroh, dass wir es noch rechtzeitig vor Inkrafttreten der Notstandsregeln wenige Tage zuvor wieder ins Wasser geschafft haben! Später sickert durch, dass man wohl eine Ausnahmeregelung für den Boatsyard gefunden hat – unter anderem lebt dort eine Familie mit drei Kindern …. Allgemein setzt sich im Forum inzwischen endlich die Meinung durch, dass wir Ausländer den Ball flach halten und uns an die Bestimmungen halten müssen, sonst besteht Gefahr, dass man uns ausweist und „nach Hause“ schickt. Wie für viele andere Yachties auch – hier und überall auf der Welt – ist eine solche Perspektive der Supergau, denn viele haben wie wir kein anderes Heim als das Boot, auf dem wir leben.
Das Schicksal der Langzeitsegler in der aktuellen Situation ist bei den meisten Menschen, die nicht betroffen sind, gar nicht auf dem Radarschirm. Verständlich, bei all dem Leid, wirtschaftlicher Krise und Existenzängsten, die angesichts der ausbreitenden Krankheit ein jeder für sich bewältigen muss. Und naiv haben auch wir anfangs noch gedacht, in welch glücklicher Situation sind wir nun mit dem eigenen Boot, in Bezug auf Wasser- und Stromversorgung nahezu autark, und zur Verpflegung holt man sich zur Not ein paar Fische aus dem großen Teich und segelt davon. Nur wohin, wenn kein Hafen, keine Insel uns mehr aufnimmt. Mal ganz abgesehen davon, dass wir hier sogar schon beim Ausfahren gestoppt werden würden. Hier im Varadero (Boatsyard) steht ein Boot mit Einschusslöchern, von dem man sich erzählt, es habe die Anweisungen der Küstenwache nicht befolgt ….
Das Ausmaß der Beschränkungen hat tatsächlich auch für die Blauwasser-Segler weitreichende Folgen. Wären wir jetzt noch in der Karibik unterwegs wie einige unserer Freunde, gäbe es aktuell kaum einen sicheren Zufluchts-Ort für die Hurrikan-Saison mehr, die meisten Inseln haben dichtgemacht, als eine der ersten die Insel Grenada, die viele gern als Unterschlupf während der gefährlichen Monate nutzen, um gegebenenfalls dann noch weiter nach Süden ausweichen zu können. Inzwischen kann man die Insel allerdings wieder anlaufen, wenn man sich einer vierzehntägigen Quarantäne unterzieht. Und wer sich entschlossen hat, in diesem Frühjahr nach Europa zurück zu segeln, so wie die Crew von der anderen „ITHAKA“ https://sy-ithaka.blog/2020/03/20/gelbe-flagge-q-in-zeiten-von-corvid-19/, sieht sich unter anderem damit konfrontiert, dass sowohl Bermudas als auch Azoren niemanden mehr aufnehmen, die Azoren kann man lediglich noch für einen Zwischenstopp am Anker anlaufen, wobei man das Schiff nicht verlassen darf – trotz Selbstisolation an Bord während der Überfahrt, die je nach Schiff und Ausgangshafen in der Regel mindestens 14 Tage beträgt. Immerhin wird frischer Proviant ans Schiff geliefert, Diesel und Wasser bekommt man auch noch für die Weiterfahrt zum europäischen Festland. Und bei unseren Freunden in der Südsee, Australien und Neuseeland sieht es zumeist nicht wesentlich entspannter aus. Ganz viele können ihre Törnpläne in diesem Jahr nicht wie geplant umsetzen. Schlimmer noch: wenn man nun in sein Heimatland reisen muss oder will, sofern das überhaupt noch möglich ist, kommt man in der nächsten Zeit nicht mehr zurück an Bord. Paare und Familien sind bereits auf unbestimmte Zeit auseinandergerissen. Wen das Thema interessiert, anbei ein paar willkürlich ausgewählter Links kürzlicher Veröffentlichungen zu den Nöten der Segler.
- www.noonsite.com/news mit einer Liste von Inseln- und Länderregelungen
- www.trans-ocean.org/Corona-Das-sagen-unsere-Stützpunktleiter dito
- www.yacht.de/aktuell/panorama/festgesetzt-im-paradies–langfahrtsegeln-in-corona-zeiten
- serenity-sailing.de/verloren-im-paradies-should-i-stay-or-should-i-go/ ein Bericht aus der Karibik
- atanga.de/ aus Französisch-Polynesien
- atanga.de/?p=136640 und so sieht Ausgangssperre am Anker in Französich-Polynesien aus – nicht mal Schwimmen ist noch erlaubt!
Klarstellen wollen wir an dieser Stelle aber unbedingt auch: zumindest im Moment haben wir hier nichts auszustehen. Wir sind gesund, die Versorgung mit Lebensmitteln funktioniert und unsere größten Sorgen gelten tatsächlich Sibylles Eltern – werden sie verschont bleiben? –, den Familienmitgliedern und Freunden und allen anderen, die schon jetzt finanzielle Einbußen erleiden oder gar aufgrund der Krise in Existenznöte geraten.
Und was macht man dann so den ganzen Tag an Bord, wenn es auch noch wie in diesen Tagen aus Kübeln schüttet? Nun – kaum zu glauben, aber Burkhard empfindet inzwischen das Geschirrspülen als willkommene Abwechslung😉! Schade – nach einigen eher kontaktarmen Wintermonaten in der Marina von Valencia hatten wir uns so sehr darauf gefreut, hier in Almerimar mit unseren holländischen Freunden von der „Rasant“ und den neuen Freunden von der „GLEC“ ein paar gesellige Wochen zu verbringen bis zum Saisonstart. Nun ist die Kommunikation nur noch per Telefon oder elektronische Medien möglich.
Kurz vor dem Shutdown haben wir uns eine Satellitenschüssel bestellt. Eigentlich für den Gebrauch an Land vorgesehen, aber die teuren Dinger fürs Boot können und wollen wir uns nicht leisten. Bis auf die lange Phase an Land auf den Azoren im vergangenen Sommer gab es auch wenig Bedürfnis nach Fernsehen. Heute finden wir es sehr angenehm, vor allem auch die deutschen Nachrichten regelmäßig zu empfangen und sich mit einem Film abzulenken. Das funktioniert allerdings nur an windstillen Tagen, da bereits geringfügige Bootsbewegungen das Bild zum Einfrieren bringen 😊. Ansonsten wird halt viel gelesen. Sibylle probiert neue Kochrezepte und hat sich ganz dem Nähen verschrieben. Gestern hat sie auch eine Nähanleitung für einen Mundschutz im Internet gefunden. Die Produktion startet heute noch.
Und endlich, endlich mal wieder einen Artikel für die Website fertiggestellt! Da gibt es auch noch den ein oder anderen halbfertigen Beitrag, den wir nun als Rückblick hoffentlich in den nächsten Tagen mal endlich veröffentlichen werden – denn auch unsere Familie und Freunde zu Hause haben ja jetzt viel Zeit zum Lesen …. Übrigens – während wir hier schreiben, wurde soeben eine Verlängerung des Ausnahmezustands um weitere 15 Tage bis Mitte April angekündigt. Da hoffen wir mal, dass das Wetter bald wieder besser wird, damit wir wenigstens an Deck regelmäßig ein paar Turnübungen für die Fitness machen können.
Bitte bleibt gesund, wo immer Ihr auch seid – auf dem Boot oder anderswo.
Schön von Euch mal wieder zu lesen. Unser Weg von der Karibik Richtung Spanien wird dieses Jahr wohl nicht funktionieren und ist angesichts der Umstände wohl auch nicht erstrebenswert.
Hallo Sibylle & Burkhard,
mir geht es auch nicht viel besser hier auf dem Campingplatz in Andalusien. Ich habe gerade meinen Platz verlängert um vier Wochen. Aber der große Unterschied ist…wir können uns hier frei bewegen auf dem Platz, benutzen die Duschen und Toiletten und dürfen auch abreisen, wenn wir es möchten. Über Funk habe ich Kontakt mit anderen Yachten in Marokko und auf den Kanaren und ihnen geht es genauso wie euch Beiden. Der Netcontrol von Intermar darf nicht in den Hafen. Er wollte helfen kommen…aber der Eintritt ist nicht erlaubt. Nun, durchhalten…
Liebe Grüße, Horst
…und immer eine Handbreit Bier in der Bilge…